Das "Einserkastl" vom 31. Juli ("Rad-Lösung") hat viele und heftige Reaktionen hervorgerufen, deshalb wird hier die Debatte erweitert und fortgeführt. Zunächst lasset uns einig sein: Aggressive Autofahrer sind gefährlicher und wahrscheinlich um einiges zahlreicher als aggressive Radfahrer. Aber das wissma eh. Selbstverständliches muss man nicht dauernd wiederholen. Und was Gastautor Thomas Klausner am selben Tag argumentiert - nach den verfügbaren Statistiken sind schwere Unfälle, in die Radler und Fußgänger verwickelt sind, viel seltener als von Autos ausgelöste Unfälle - stimmt zwar, ist aber nicht sehr relevant: Die meisten Fahrradunfälle werden nicht gemeldet, weil zu leicht, aber sie stellen trotzdem ein Problem des zivilisierten Zusammenlebens in der Stadt dar.

Damit sind wir beim Punkt: Es geht um die Sicherung eines zivilisierten Zusammenlebens angesichts neuer Lebens- umstände. Die Zahl der Radfahrer in der Stadt hat stark zugenommen. Es ist sozial erwünscht, dass sie weiter zunimmt. Denn Radfahrer sind umweltverträglicher, Städte mit vielen Radfahrern sind einfach angenehmer als solche mit vielen Autos.

Aber warum sollen wir uns dann denselben Stress antun wie mit den Autofahrern und nichts tun gegen die nicht so seltenen rücksichtslosen, risikosüchtigen Radfahrer?

Der Trugschluss war, dass Radfahrer irgendwie problemfreier, charakterlich "besser" wären. Sind viele nicht, wie sich jeder täglich überzeugen kann. Ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung ist immer irgendwie verhaltensoriginell bis -gestört. Warum soll das bei Radfahrern aber anders sein? Das haben viele aber offenbar angenommen und reagieren nun empört, wenn man es wagt, auf die Realität hinzuweisen: Es gibt eine nennenswerte Anzahl gefährlich undisziplinierter Radfahrer, und weil die Grundgesamtheit größer wird, haben sie einen merkbaren Belästigungs- und Gefährdungsfaktor erreicht.

Jeder kann diese Realität nachvollziehen: von den hunderten Radfahrern, die jede Nacht ohne Licht unterwegs sind, bis zu den Kamikaze-Piloten, die sich und andere gefährdend herum zischen. Wer - wie der Autor dieser Zeilen - seit Jahrzehnten in der Stadt (auch) mit dem Rad unterwegs ist, musste einfach bemerken, dass die Zwischenfälle dank der erfreulichen Zunahme der Radfahrerzahl häufiger geworden sind.

Das ist übrigens der Konnex zu den Hunden und ihrer Problematik in der Stadt: Die Zahl der Tiere hat explosionsartig zugenommen, die Belästigung und Gefährdung vor allem von Kindern nahm entsprechend zu. Hier hat die Stadt etwas unternommen, nachdem eine Bürgerinitiative (mit Hilfe des STANDARD und des "Einserkastls") den Bürgermeister mit 170.000 Internet-Unterschriften beeindruckte.

Die Stadt muss auch etwas unternehmen, um a) die Bedingungen für die Radfahrer zu verbessern (die Radwege sind teils ein Witz, bzw. eine Gefährdung) und b) die "rogue radler" einzubremsen. Das gebietet die Vernunft. Intelligente Vorschläge an diese Kolumne sind erbeten. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 1.8.2012)