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Bald mehr Beamte an Putins Tisch: Für seinen eigenen Stab als Regierungschef wurden nach seinem Wiedereinzug im Kreml neue Posten geschaffen.

Foto: RIA Novosti, Alexei Niokolsky, Pool/AP/dapd

"Das geht auf meine Rechnung", ermuntert Dmitri die Journalisten im Edelrestaurant zum Trinken. Dmitri ist ein lebenslustiger Mann, er trinkt und feiert gern und ausgiebig. Doch "auf seine Rechnung" geht es dabei in den seltensten Fällen, denn der Mittvierziger arbeitet in der Moskauer Stadtverwaltung - und die übernimmt die Spesen.

Das ist eine der kleinen Annehmlichkeiten seines Beamtendaseins. Daneben bietet der Job ein quasi sorgenfreies Leben und für besonders wendige Beamte sogar die Möglichkeit, im eigenen Entscheidungsfeld ein Geschäft aufzubauen oder das von Freunden zu unterstützen. Es ist kein Wunder, dass viele Russen sich wünschen, Beamte zu werden.

Und deren Zahl steigt unaufhaltsam. Zuletzt hat die Kremlrochade zwischen Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew auf wundersame Weise für die Vermehrung der begehrten Posten gesorgt.

Die Moskauer Straßen waren zwar bei Putins pompöser Rückkehr in den Kreml wie leer gefegt, doch einsam wird der russische Präsident in der Schaltzentrale der Macht nicht. Er hat nämlich praktisch seinen gesamten Stab in den Kreml mitgenommen. Eilig wurden dafür neue Beraterposten und Departments geschaffen; die Schattenregierung zum Kabinett Medwedews erforderte die Einrichtung von 481 neuen Stellen.

Auch Medwedews Umzug ins Weiße Haus, dem Sitz der Regierung, wird teuer für den Steuerzahler. Eigentlich sollte mit der Reorganisation der Regierung deren Apparat gestrafft werden. Stattdessen kommen 435 neue Mitarbeiter hinzu. Weitere 400 Stellen werden für Medwedews neuen Expertenrat der Regierung fällig. Der Politologe Dmitri Oreschkin nennt das Aufblähen der beiden Administrationen "logisch". Beide Politiker hätten ihre alten Weggefährten auf neue Posten mitgenommen, diese brauchten natürlich Untergebene, "denn irgendwer muss ja arbeiten", so Oreschkin.

Mehr als zu Sowjetzeiten

Dabei ist dies nur die Spitze des Eisbergs: In den zwölf Jahren unter Putin ist die Zahl der Beamten laut dem Statistikamt um über 500.000 Personen gestiegen und liegt nun bei 1,65 Millionen - trotz mehrerer Kampagnen zum Bürokratieabbau in Russland. Und selbst diese Zahlen sind wohl noch reichlich geschönt. Die Tageszeitung Wedomosti jedenfalls schätzt unter Berufung auf Experten die Zahl aller Behördendiener auf sechs Millionen. Lehrer und Ärzte zählen übrigens nicht dazu. Zum Vergleich: Zu kommunistischen Zeiten umfasste das Beamtenheer 2,5 Millionen - und da waren es 15 Sowjetrepubliken.

Für die Russen ist die Bürokratie kein billiges Unterfangen, ist doch inzwischen jeder 40. Arbeitnehmer ein Beamter, wobei sie kaum selbst Werte schaffen, sondern lediglich kontrollieren. Zur Not kontrolliert die eine Behörde dann auch noch die andere. Die Beamten verdienen dabei dank großzügiger Soldanhebungen inzwischen ein Vielfaches mehr als der Durchschnittsrusse. Im vergangenen Jahr kosteten die Beamten den Staat umgerechnet 21 Milliarden Euro. Die Gehälter steigen weiter. Das soll die Korruption eindämmen, doch bisher haben die galoppierenden Gehaltsanhebungen noch nichts bewirkt. Die Korruption grassiert wie eh und je.

Dafür hat der Kreml eine neue Kampagne zur Verkleinerung des Beamtenheers gestartet. Bis 2013 soll die Zahl der föderalen Beamten um 20 Prozent sinken. Der statistische Erfolg scheint gewiss: Viele Beamte werden nämlich einfach auf die regionale Ebene abgestuft. (André Ballin, DER STANDARD, 1.8.2012)