Die Mitte der Gesellschaft sei sozial gesehen zwar "bombensicher", sagt Küberl. "Aber der Sozialstaat muss auch am Rand krisenfest sein."

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Wien - Die Caritas fordert Maßnahmen gegen die Zunahme der "Working Poor" - jener Erwerbstätigen, die trotz Arbeitsplatz armutsgefährdet sind. Es gebe "zu wenig Erwerbsarbeit, von der man leben kann", sagte Caritas-Präsident Franz Küberl. Auch bemerke man in den Caritas-Sozialberatungen einen Zulauf von Pensionisten. Hier sei zu hinterfragen, "ob der Ausgleichszulagenrichtsatz (die Mindestpension, Anm.) die richtige Höhe hat", so der Präsident.

Die Mitte der Gesellschaft sei sozial gesehen zwar "bombensicher", sagte Küberl. "Aber der Sozialstaat muss auch am Rand krisenfest sein." Hier gehe ihm die Ernsthaftigkeit der Politik ab. Er würde sich wünschen - sowohl für Österreich als auch für Europa - "dass Armen dieselbe Aufmerksamkeit zukommt wie den Banken", so der Präsident.

Es gehe um die Frage des gerechten Lohns, verwies Küberl auf die Enzyklika Rerum Novarum, die Papst Leo XIII. im Jahr 1891 verfasst hatte und dort ebendiese Lohngerechtigkeit eingefordert hatte. "Das muss man sicherstellen", so der Präsident. Es gehe darum, die Armut "stückweise zu entschärfen und abzubauen". In Österreich gebe es das Phänomen, dass es den meisten sehr gut gehe - damit fehle bei vielen das Bewusstsein, dass es auch Bürger gibt, denen es nicht gut geht. Die Beschäftigungspolitik sei jedenfalls der "Kern" in der Armutsbekämpfung.

Bildung wichtig für Armutsbekämpfung

Besorgt gab sich Küberl auch angesichts des von der Caritas registrierten Zulaufs von Pensionisten bei der Sozialberatung. Man müsse sich daher die Frage stellen, ob die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes die richtige sei. Dieser sollte erhöht werden, meinte Küberl. Ebenfalls von Armut bedroht sieht er Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern. Hier werde die Zahl jener, die sich an die Sozialberatung wenden, "signifikant mehr".

Ein großes Anliegen ist Küberl im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung auch das Thema Bildung. Die Politik müsse ein Schulsystem bauen, dass Nachhilfe "unnotwendig" mache und "die Armut bricht". "Mir wäre recht, wenn alle einen realen Hauptschulabschluss haben", so der Wunsch des Caritas-Präsidenten. Zur Erreichung dieser Ziele spricht er sich für "ganztägigere" Schulformen aus; die Lehrer sollten seiner Meinung nach die Arbeitszeit in der Schule - mit den Schülern - verbringen. Wobei er gleichzeitig festhält, dass die Eltern "schon die ersten Trainer" sein sollten.

Pflegereformen gefordert

Als Beispiel für eine solch "ganztägigere" Schulform verweist er auf die 18 "Lerncafes" des Caritas, in denen Kinder mit Hilfe von Pädagogen und ehrenamtlichen Helfern gemeinsam lernen und Förderung über die Schule hinaus erfahren - aber es wird dort auch gespielt und gemeinsam gegessen. Wären die finanziellen Mittel vorhanden, könnte man dreimal so viele Cafes betreiben, sagte Küberl - der Bedarf sei groß.

Auch beim Thema Pflege erwartet sich der Präsident Schritte der Politik. Einerseits gelte es, den Pflegefonds von einer Übergangs- in eine dauerhafte Lösung umzuwandeln. Zur Frage der Finanzierung wiederholte er einmal mehr, dass die Caritas Überlegungen hinsichtlich einer Pflegeversicherung eher skeptisch gegenüber steht, da dies die Lohnnebenkosten antreiben würde. Andererseits forderte er zum wiederholten Mal eine regelmäßige Valorisierung des Pflegegeldes, das Schließen von Betreuungslücken sowie eine Vereinheitlichung der Standards in den Bundesländern. Zur von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) angekündigten Strukturreform meinte Küberl, er traue und mute dem Ressortchef zu, dass er hier die nächsten Schritte weiter geht. (APA, 31.7.2012)