Wien - An den Finanzmärkten sah es am Montag so aus, als stünde Europa ein Befreiungsschlag bevor: Italien konnte zehnjährige Anleihen erstmals seit April unter einem Zinssatz von sechs Prozent begeben. Die Zinsen, die Spanien für zehnjährige Schuldscheine bezahlen muss, fielen auf 6,6 Prozent.

Zu der Beruhigung führte die Erwartungshaltung vieler Investoren: Anleger spekulieren darauf, dass Euroländer und Europäische Zentralbank (EZB) die Geldschleusen öffnen.

Zuletzt hatten EZB-Chef Mario Draghi, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker erklärt, alles für den Euro-Erhalt tun zu wollen. Juncker warnte am Montag in der Süddeutschen allerdings, Europa erlebe eine Phase des "sofortigen Sofortismus": Politikern fehle die Zeit, über Konsequenzen ihrer Handlungen nachzudenken. Zeit also für einen Überblick über Chancen und Risken der diskutierten Optionen:

Q Der Eurorettungsschirm könnte Staatsanleihen kaufen, um die Zinsen für Spanien und Italien zu senken. Nötig ist dafür ein Antrag des betroffenen Landes, die Genehmigung durch die EZB und die Ausarbeitung spezifischer Sparauflagen. Vorteil: Der Rettungsschirm könnte schnell aktiv werden, da Spanien und Italien bereits ein von der EU abgesegnetes Sparprogramm fahren. Der Rettungsschirm könnte direkt Anleihen von Rom und Madrid kaufen und nicht nur die EZB Papiere, die bereits gehandelt werden. Damit wäre sicher, dass Spanien und Italien günstig zu Geld kommen.

Als größter Nachteil gilt, dass die Mittel der Rettungsschirme mit 750 Mrd. Euro begrenzt sind. Italiens Anleihenmarkt hat ein Volumen von zwei Billionen Euro, jener Spaniens eines von 800 Mrd. Laut Ökonom Paul De Grauwe von der London School of Economics zufolge hätte ein Eingriff der Rettungsschirme fatale Folgen: Anleger würden spekulieren, wann den Schirmen die Mittel ausgehen. Um kein Geld durch fallende Anleihenkurse zu verlieren, würden Anleger vorsorglich Staatsanleihen verkaufen und den Druck auf Rom und Madrid erhöhen.

Q Die EZB könnte daher dem Rettungsschirm beispringen. Die Zentralbank hat Staatsanleihen im Wert von 211 Milliarden Euro gekauft. Dieses Securities Market Programme (SMP) wurde bis zum Frühjahr genutzt und könnte reaktiviert werden. Das SMP war aber umfangmäßig begrenzt, die Wirkung des Instruments ist also fraglich. Wie sich im Falle Griechenlands gezeigt hat, sind von der EZB gekaufte Anleihen zudem vorrangig und werden von einem Schuldenschnitt ausgenommen. Ein Eingriff der EZB könnte Investoren daher verschrecken.

Die Alternative: unbegrenzte Käufe. Die Zentralbank müsste keine Verluste fürchten - Notenbanken brauchen kein Eigenkapital. Allerdings sehen deutsche Notenbanker diese "Bazooka-Option" kritisch. Sie fürchten, Spanien und Italien könnten ihre Sparpolitik verlangsamen und Deutschland auf Schrottpapieren sitzenbleiben. Die Bundesbank lehnt es daher auch ab, dem Rettungsschirm eine Banklizenz zu geben, um sich bei der EZB zu refinanzieren. Eine von der EZB eingeholte Analyse kam zudem zum Schluss, die Banklizenz-Variante würde gegen das geltende Verbot der direkten Staatenfinanzierung verstoßen.

Q Die Euro-Zentralbank könnte bei ihrer Sitzung am Donnerstag neue Instrumente zur Stärkung des Sektors beschließen. Die EZB hat seit Dezember über eine Billion Euro an Banken zu einem Zinssatz von einem Prozent verliehen. Mit dem Geld sollten Banken animiert werden, in die viel höher verzinsten Staatsschulden Spaniens und Italiens zu investieren.

Die EZB hat die Anforderungen an Sicherheiten, die Banken hinterlegen müssen, heruntergeschraubt und könnte das erneut tun. Spekuliert wird auch über die Schaffung sogenannter Non-Recourse-Repos: Dabei könnte eine Geschäftsbank entscheiden, bei der EZB zur Garantie hinterlegte Staatsanleihen (die an Wert verlieren) nicht zurückzunehmen, sondern sie an Zahlung statt herzugeben. Damit würde die EZB den Banken Kreditrisiken abnehmen. Nachteile: Den Krisenländern wäre nur indirekt geholfen, und Banken, die das System der Zinsdifferenz nützen, könnten sich auf Kosten Roms und Madrids rekapitalisieren. (András Szigetvari, DER STANDARD; 31.7.2012)