Bild nicht mehr verfügbar.

Die Costa Concordia zwei Wochen nach der Katastrophe vom 13. Jänner 2012. Eine nun in PNAS veröffentlichte Studie räumt ganz eindeutig mit dem Mythos der selbstlosen Männer bei Schiffsunglücken auf.

Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Washington - Zuletzt war es Francesco Schettino, der den Glauben an die Ritterlichkeit auf See erschüttert hat: Zuerst steuerte der Kapitän der Costa Concordia das Kreuzfahrtschiff an einen Felsen, und dann gehörte er bei der Rettungsaktion zu den Ersten, der das sinkende Schiff verließ. Insgesamt kamen bei dem Unglück 32 Personen ums Leben, 16 Frauen und 16 Männer.

Wie aber war das bei den richtig großen Schiffskatastrophen der Menschheit? Verhielten sich die Kapitäne und die männlichen Passagiere an Bord altruistischer und ließen Frauen und Kindern den Vortritt bei den Rettungsaktionen - so wie wir es mustergültig von der Titanic kennen?

Mikael Elinder und Oscar Erixson von der Uni Uppsala sind der Sache auf den Grund gegangen: Sie werteten Daten von insgesamt 18 Schiffsunglücken der letzt 150 Jahre aus, bei denen insgesamt mehr als 15.000 Menschen beteiligt waren und jeweils mehr als 100 Menschen starben.

Ihre im US-Wissenschaftsmagazin PNAS veröffentlichte Studie räumt ganz eindeutig mit dem Mythos der selbstlosen Männer auf. Frauen hatten bei großen Schiffskatastrophen viel schlechtere Überlebenschancen als Männer (etwas unter 30 Prozent zu rund 40 Prozent), Kinder mit nicht einmal 20 Prozent die allerschlechtesten. Die Chancen der Frauen stiegen nur, wenn der Kapitän den Befehl "Frauen und Kinder zuerst" gegeben hatte. Dies war allerdings nur bei fünf Untergängen der Fall. Die Dauer der Katastrophe oder der Prozentanteil der Frauen an Bord machten keinen Unterschied.

Konkret wurden in elf Fällen signifikant mehr Männer als Frauen gerettet, in fünf Fällen war die Bilanz nicht eindeutig und nur bei zwei Desastern - jenem der Titanic 1912 und der Birkenhead 1852 - umgekehrt. Wie überhaupt die Titanic die große Ausnahme von der Regel ist.

Überlebten bei allen 18 analysierten Katastrophen mehr als 60 Prozent der Besatzung, waren es bei der Titanic nur rund 20 Prozent. Während insgesamt knapp 40 Prozent der männlichen Passagiere mit dem Leben davonkamen, waren es auf der Titanic nur knapp 20 Prozent - aber mehr als 70 Prozent der Frauen. Das war vor allem dem resoluten Einschreiten des englischen Kapitäns geschuldet, der angeblich sogar auf sich vordrängende Männer schießen ließ und dann pflichtbewusst mit der Titanic unterging.

Immerhin: Seit dem Ersten Weltkrieg schrumpft der Abstand bei den Überlebenswahrscheinlichkeiten von Frauen und Männern, was für die schwedischen Forscher am gestiegenen sozialen Status der Frauen und ihrer größeren Autonomie liege. (tasch, DER STANDARD, 31.7.2012)