Auf der Kurliste von Brioni, wie es damals offiziell hieß, wurden alle Gäste vermerkt.

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Zwei historische Gestalten auf Brijuni/ Brioni: 1977 empfing Tito den libyschen Revolutionsführer Gaddafi auf der Insel.

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67 Jahre davor war der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand mit Familie zu Besuch.

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Auf Brijuni ausgestellt: eine von Titos Staatskarossen, ein offener Chevrolet.

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Brijuni/Zagreb - Von Wien aus ging der Zug um 7 Uhr 20, um 8 Uhr 45 und um 9 Uhr 20 nach Brioni, mit Schlafwagen. Es kamen etwa "Herr Heinrich Baron Hammer-Purgstall, k. k. Statthalter, Vizepräsident mit Gattin und Jungfer" oder auch der Thronfolger mit Familie. Eine Zugverbindung gab es von St. Petersburg und eine von Warschau. Mit dem Brioni-Salondampfer konnte man aus Alexandrien anreisen.

Heute wird die Kurliste nicht mehr publiziert. Aber es werden noch immer Staatsgäste empfangen. Während jugoslawischer Zeit war deshalb selbst die Küste oft militärisch gesperrt. Manche nennen Brijuni noch immer Titos Insel. Andere sagen, Brijuni sei eine Insel für zu reiche Golfspieler. Eigentlich ist Brijuni aber die Insel der Hirsche, die von dem Naturschutzgebiet Besitz genommen haben. Sie stehen gelassen herum, gerade so, als würden die Touristen, die mit der Bummeleisenbahn durch die Landschaft zuckeln, als Attraktion für die Hirsche gekommen sein. Und nicht umgekehrt. Angeblich sollen die Hirsche sogar zwischen den Inseln herumschwimmen.

Vergessener Winkel der Monarchie

Zu Brijuni gehören vierzehn Inseln im Süden von Istrien. Während der Monarchie wurden sie zum Treffpunkt der Wichtigen und Reichen, nachdem sie der Industrielle Paul Kupelwieser, damals pensionierter Generaldirektor der Witkowitzer Eisenwerke, die im heutigen Tschechien liegen, im Jahr 1893 für 75.000 Gulden gekauft hatte. Kupelwieser suchte nach einer Aufgabe in seiner Pension und wollte in einem ökonomisch vergessenen Winkel der Monarchie ein Vorzeigeprojekt starten. "Ich fühlte mich als Österreicher beschämt, ich hatte bisher den österreichischen Süden nicht gekannt und hatte mir nicht vorstellen können, dass sich etwas Ähnliches in Österreich an Verwahrlosung des Bodens finden könnte", schrieb er in seinen Lebenserinnerungen.

Und es gab noch einen dritten Grund für Kupelwieser zu investieren: seine Söhne. Er wollte ihnen "gesicherte Werte" hinterlassen und hatte offenbar die Sorge, dass sie in Wien Opfer einer Wohlstandsverwahrlosung werden würden, also schickte er sie nach Brijuni. "Als eine nützliche Tätigkeit konnte ja auch die Bewaldung ausgedehnter Terrains in unserem verwahrlosten Süden gelten", befand der Vater. Doch obwohl er viel mehr tat, als die 700 Hektar zu bewalden, konnte er nie wirklich viel Geld mit Brijuni verdienen. Sein Sohn Karl nahm sich 1930 gar das Leben, weil er sich mit den Investitionen auf der Insel übernommen hatte.

Zwei Chamäleone

Auch der Vater hatte keine Ausgaben gescheut. Er verliebte sich etwa "in die Schönheit der ägyptischen Palmen" und ließ 36 Bäume in Kairo ausgraben. "Kaum waren die Palmen in Brioni angelangt, in ihren Blättern waren auch ganz unabsichtlich zwei Chamäleone mitgekommen und in ihre neue Heimat übersetzt, so überraschte uns ein drei Tage anhaltender Schneefall, und die Temperatur sank auf fünf Grad unter null." Die Palmen gingen ein.

1947 wurde Brijuni zur Sommerdependance von Staatspräsident Josip Broz Tito. Im Museum auf der Insel ist Tito mit Ägyptens damaligem Staatschef Gamal Abdel Nasser, mit dem indischen Premier Jawaharlal Nehru, mit Gaddafi, mit Kreisky, mit Willy Brandt und vielen anderen zu sehen. Statt Aristokraten kam nun die sozialistische Elite.

1956 wurde hier zudem das Abkommen zur Gründung der Blockfreien Staaten unterschrieben. Jenseits von nostalgischen Fotos fehlen in dem Museum leider Informationen über den politischen Kontext der Staatsbesuche. Geschichte wird nicht erklärt, der Mythos aber aufrechterhalten.

Ein weißer Kakadu, der in einem Käfig vor dem Hafen sitzt, gehörte angeblich noch dem jugoslawischen Präsidenten. Und angeblich sagt Koki manchmal auch "Tito". Aber diesmal sagt Koki nur "Heah" und scheint zu gähnen. Auch die Pfauen, die indischen Rinder, die Tito von Nehru bekommen hat, die Zebras und die Elefantin Lanka, die Indira Ghandi im Jahr 1970 als Geschenk mitbrachte, sind müde von der Hitze. Brijuni, das ist ein bisschen Geschichte als Safaripark. Eine echte Auseinandersetzung bietet die Ausstellung "Europe: In Between Documents and Fiction" im Bootshaus, die Fotos des Österreichers Erich Lessing zeigt, der den Stolz jugoslawischer Fabriksarbeiter, die ungarische Revolution 1956 oder die Kohlearbeiter im steirischen Köflach in den 1950er-Jahren dokumentierte.

Theater Ulysses

Die Insel beherbergt aber auch jedes Jahr eine Schauspielerkolonie. Das Theater Ulysses in dem Fort auf der kleinen Brijuni-Insel wurde von Rade Šerbedžija vor zwölf Jahren gegründet. Der Mann mit den weißen, schlurfigen Haaren spielt in Hollywood-Produktionen oft den Ganoven mit "osteuropäischem" Akzent. Zur Eröffnung singt Šerbedžija, die Brüder Ratko und Radiša Teofilovići aus Belgrad singen noch viel schöner, die Bora bläst über dem Fort, und ein paar Männer weinen. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 31.7.2012)