Monika Mokre und Florian Ruppenstein, Sprecher der Plattform "Rettet die Akademie der Wissenschaften".

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Die Plattform kämpft gegen finanzielle Einsparungen.

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Gemeinsam mit anderen Mitgliedern hat der Archäologe Florian Ruppenstein die Plattform "Rettet die Akademie der Wissenschaften" gegründet, um gegen die Zerschlagung des Instituts zu kämpfen. Mit derStandard.at sprach er über die Konflikte zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, die Streitigkeiten wegen der ungleichen Finanzierung der beiden Wissenschaftszweige und den Kampf um Strukturreformen mit dem 2008 gegründeten ÖAW-Gremium "Junge Kurie".

derStandard.at: Innerhalb der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) kommt immer häufiger die Forderung nach Strukturreformen. Vor allem aus dem Gremium Junge Kurie wird die Kritik lauter. Die Geisteswissenschaftler werden dabei als Reformblockierer bezeichnet. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Ruppenstein: Wir behindern nicht! Wir wollen Strukturreformen, aber gute Reformen, die nicht übers Knie gebrochen werden. Die "Junge Kurie" forderte zuletzt die Einrichtung einer dritten Klasse in der ÖAW, der Life Sciences. Dabei haben die Mitglieder der Kurie die Geisteswissenschaftler als Blockierer dargestellt, und das in öffentlichen Aussendungen. Damit haben sie eine Grenze überschritten.

derStandard.at: Inwiefern wurde eine Grenze überschritten?

Ruppenstein: Bislang wurde Kritik immer intern geäußert. Auch die Linie unserer Plattform war immer: Die Natur- und Geisteswissenschaften dürfen sich nicht auseinandertreiben lassen. Österreich braucht beide Wissenschaften. Durch das Öffentlichmachen der internen Konflikte durch die Junge Kurie haben wir jetzt aber eine neue Situation.

derStandard.at: Welche Reformvorschläge kritisieren Sie konkret?

Ruppenstein: Manche Naturwissenschaftler glauben, dass die Organisation der Geisteswissenschaften nach Vorbild der Naturwissenschaften geschehen sollte. Dort ist es so, dass Publikationen in international renommierten Journals wichtig sind, um als erfolgreich zu gelten. Bei den Rankings der naturwissenschaftlichen Bereiche werden dann für die Publikationen Punkte vergeben. Dieses System passt nicht zu den Geisteswissenschaften, denn für uns kommt eine Publikation in einem dieser Journals oft gar nicht in Frage, weil unsere Forschungsthemen darin kaum abgedeckt werden.

derStandard.at: Natur- und Geisteswissenschaften brauchen also verschiedene Strukturen?

Ruppenstein: Die Strukturierung der Geisteswissenschaften nach dem Vorbild der Naturwissenschaften würde unsere Forschung schlechter darstellen, als sie ist. Für die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit im Land ist es auch wichtig, selber Journals herauszugeben, und das tun wir in der Geisteswissenschaft. Die Naturwissenschaftler haben ihre eigenen renommierten Journals abgewertet, indem sie sich nur noch auf die international bekannten konzentriert haben. Manche wollen hier offenbar, dass wir Geisteswissenschaftler den gleichen Fehler machen.

derStandard.at: In der neuesten Aussendung der Plattform kritisieren Sie die Abwertung der Geisteswissenschaften in Österreich. Wie schlecht steht es um die geisteswissenschaftliche Forschung im Land?

Ruppenstein: Mit unserer Aussendung wollten wir die Leistungsfähigkeit der österreichischen Geisteswissenschaften herausarbeiten. Denn die Forschung ist erfolgreich, auch international. Wir sind auf höchstem Weltniveau.

derStandard.at: Ihre Plattform kritisiert immer wieder das Fehlen finanzieller Mittel für die geisteswissenschaftliche Forschung. Ein Seitenhieb auf die finanziell besser gestellten Naturwissenschaften?

Ruppenstein: Natürlich besteht ein höherer Finanzierungsbedarf für die Naturwissenschaften. Diese benötigen teilweise teure Geräte, die wir nicht brauchen. Die Geisteswissenschaften erkennen das auch an. Dennoch möchten wir aber in unserer gegenwärtigen Stärke bleiben. Die eindeutige Ausrichtung auf die naturwissenschaftliche Forschung in Österreich zerstört die hochleistungsfähige Forschung der Geisteswissenschaften. Wir haben es bisher immer geschafft, mit vergleichsweise wenig Geld auf höchstem Niveau zu sein.

derStandard.at: In der Gesellschaft zeigt sich manchmal weniger Verständnis für geisteswissenschaftliche Forschung als für naturwissenschaftliche. Besteht hier ein Kommunikationsproblem?

Ruppenstein: Die Geisteswissenschaften haben sicherlich Nachholbedarf, ihre Leistungen in der Öffentlichkeit darzustellen. Das muss man intensivieren. Andererseits darf man nicht vergessen, dass es an den großen naturwissenschaftlichen Instituten oft eigene Presseabteilungen gibt, die die Forschungsergebnisse wirksam in der Öffentlichkeit darstellen. In der Geisteswissenschaft und ihren vielen kleinen Einheiten haben wir manchmal nicht einmal einen Sekretär.

derStandard.at: Inwiefern stimmt das Klischee vom Geisteswissenschaftler, der sich in sein Studierzimmer vergräbt und gar kein Interesse hat, der Öffentlichkeit von seinen Erkenntnissen zu berichten?

Ruppenstein: Früher war es vielleicht so. Den Forschern fehlen heute vor allem Zeit und auch Mittel für die Pressearbeit. Die jungen Forscher und Wissenschaftler im mittleren Alter haben aber grundsätzlich Interesse daran. Wir wollen uns sicher nicht in unserem Elfenbeinturm einschließen. Wir müssen aber oftmals um unsere Stellen als Wissenschaftler kämpfen, da können wir uns der Öffentlichkeitsarbeit nicht so intensiv widmen. (Sarah Dyduch, derStandard.at, 30.7.2012)