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Einen Schritt vor dem Abgrund? Harsche Kritik am GNOME-Projekt aus den eigenen Reihen.

Eigentlich ist die jährliche GNOME-Konferenz GUADEC dazu gedacht, gemeinsam die weitere Ausrichtung des Projekts - und konkrete Softwarelösungen - zu finden. Das am heißesten diskutierte Thema auf der derzeit im spanischen A Coruña abgehaltenen Konferenz wurde dieses Mal aber von außen geliefert: Der langjährige GTK+ und GNOME-Hacker Benjamin Otte hatte sich nämlich dazu entschlossen, der Konferenz fernzubleiben, und lieber von außen seine Sicht der Dinge zu vermitteln - und kommt dabei zu einem beinahe schon vernichtenden Urteil.

Abgrund?

Unter h fasst er einige Punkte zusammen, die seiner Meinung nach zu wenig bekannt sind. So habe GNOME derzeit chronisch zu wenige EntwicklerInnen, werfe man einen kühlen Blick auf die Statistiken, zeige sich, dass gerade einmal 20 Personen für einen Großteil des Codes verantwortlich seien. Beim Toolkit GTK+ sei es noch schlimmer, da sei er selbst eigentlich der einzige Vollzeit-Entwickler, die Kernbibliothek Glib habe nicht einmal das.

Red Hat

Zudem würden die Zahlen belegen, dass GNOME längst de fakto ein Red-Hat-Projekt sei (Otte ist selbst bei Red Hat beschräftigt, Anm.). Langjährige Partner wie Nokia oder Ubuntu-Hersteller Canonical hätten dem Projekt mittlerweile den Rücken gekehrt, auch SUSE investiert längst nicht mehr so viel in den Desktop wie in früheren Jahren.

Entwicklung

Besonders schlimm sei aber, dass man in letzter Zeit weitere Entwickler verloren habe, anstatt neue für das Projekt zu gewinnen, Otte nennt dabei explizit den Clutter-Chefentwickler Emmanuele Bassi und den bei SUSE beschäftigten Vincent Untz, der in früheren Jahren Mitglied des Release Teams war.. (Beide verwahren sich allerdings auf der GUADEC gegen diese Darstellung. Bassi betont etwa, dass er in Zukunft - nach seinem Abgang von Intel - sogar mehr Zeit als bisher in Clutter investieren wolle, Anm.).

Vision

Ganz allgemein fehle es dem Desktop schon seit Jahren an einer großen gemeinsamen Vision. Derzeit definiere man GNOME auf der eigenen Webage als eine "Community, die großartige Software herstellt" - was diesen Umstand gut verdeutliche. Ziele seien aber wichtig, um überhaupt analysieren zu können, wie man sich eigentlich schlage. Momentan gebe es dafür schlicht keinerlei Messlatte. Insofern können man auch gar nicht richtig quantifizieren, ob GNOME3 nun besses als GNOME2 sei - oder eben nicht. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 28.07.12)