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Mit T-Shirts gedenken Anhänger von Oswaldo Payá des prominenten Dissidenten.

Foto: dapd/Reyes

Havanna/Puebla - War es ein Unfall oder vielleicht doch ein Anschlag? Auch Tage nach dem Begräbnis des kubanischen Dissidenten Oswaldo Payá reißen die Spekulationen um die Todesumstände nicht ab. Der Sacharow-Preis-Träger war am vergangenen Sonntag in der Provinz Granma ums Leben gekommen, als sein Wagen von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Der 60-Jährige starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Auch ein weiterer Dissident und Mitarbeiter Payás starb: Harold Cepedo Escalante.

Schon kurz nach dem Unfall kursierten Versionen, wonach ein anderes Fahrzeug Payás Auto von der Fahrbahn abgedrängt habe. Diesen Verdacht äußerte dessen Tochter Rosa María in der Zeitung El Nuevo Herald unter Berufung auf Payás Beifahrer. Schon drei Wochen zuvor war Payás Auto in Havanna von einem anderen Wagen gerammt worden; er und seine Frau wurden dabei verletzt.

Zwei ausländische Begleiter, der konservative spanische Po litiker Ángel Carromero und der schwedische Christdemokrat Aron Modig, überlebten den Unfall verletzt. Carromero wurde noch im Krankenhaus am Montag festgenommen: Er soll den Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit gelenkt haben.

Exilkubaner in Miami forderten nun eine unabhängige Aufklärung der Todesumstände und sprachen von einem "Attentat der Diktatur der Brüder Castro auf zwei kubanische Patrioten". Ein Sprecher der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung berichtete, Payá habe während der "Verfolgungsjagd" einen Anruf getätigt und dar in mitgeteilt, dass er um sein Leben fürchte. Außerdem sei der Wagen unmittelbar nach dem Unglück vom Unfallort entfernt worden.

Payá leitete die Christliche Befreiungsbewegung und hatte 2002 den Sacharow-Preis des Europaparlaments erhalten. Er galt als eine der herausragenden und charismatischsten Figuren des kubanischen Widerstands und wurde wegen seiner konzilianten und moderaten Art als wichtige Figur einer Nach-Fidel-Castro-Ära gehandelt. "Er war die relevanteste Oppositionsfigur, und sein Tod ist ein unwiederbringlicher Verlust für uns", sagte Dissidentenführer Elizardo Sánchez.

Die Spekulationen kommen für Kubas Führung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Wirtschaftsliberalisierung unter Präsident Raúl Castro hat die Versorgungslage bisher nur geringfügig gebessert. Zudem müssen die Behörden eine Choleraepidemie bekämpfen, die einen Rückschlag für das kubanische Gesundheitssystem bedeutet und negative Folgen für den Tourismus haben könnte. (Sandra Weiss /DER STANDARD, 28.7.2012