"Ich nehme an, wir starten mit Kärnten?", fragt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky vor dem Interview im Büro seines urlaubenden Chefs Heinz-Christian Strache. Da hatte er recht.

derStandard.at: Was tut mehr weh: Ein Selbstversuch mit einem Taser oder die Zusammenarbeit mit der FPK?

Vilimsky: Weder das eine noch das andere. Beim Taser-Versuch habe ich erreicht, dass die Justizwache die Waffe zurückerhält. Zur FPK gibt es bis jetzt nur Anschuldigungen von jemandem, der selbst Gegenstand eines Gerichtsverfahrens ist - und nicht mehr.

derStandard.at: Es sind turbulente Zeiten in Kärnten. Es ist das zweite Mal, dass Uwe Scheuch in Zusammenhang mit verdeckter Parteienfinanzierung auffällt. Muss er zurücktreten?

Vilimsky: Nehmen wir den Fall Faymann und Ostermayer, die ja beide auf Basis einer Strafanzeige, die ich eingebracht habe, Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden ...

derStandard.at: ... wir wollen heute aber über Kärnten reden ...

Vilimsky: ... Sie müssen das in einer Gesamtheit betrachten. Es gibt gegen verschiedenste Politiker Verfahren, manche mit Substanz, manche mit weniger Substanz. Wir haben in Österreich einen Rechtsstaat, den wir beachten sollten. Nur, weil jemand wen anderen beschuldigt, einen Rücktritt zu verlangen entspricht nicht einer entwickelten Rechtskultur.

derStandard.at: Aber es ist nicht das erste Verfahren, das den Herrn Scheuch betrifft. Stichwort "Part of the game"-Affäre, Stichwort BZÖ-Werbebroschüre. Das Volk bekommt das alles mit. Das wirft nicht unbedingt ein positives Licht auf die FPÖ.

Vilimsky: Das Volk bekommt mit, dass hier eine politische Inszenierung stattfindet. Warum ist nicht dieselbe mediale Gewalt über den Bundeskanzler niedergeprasselt, als bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn Ermittlungen durchführt? Faktum ist, in Kärnten ist eine nichtsozialistische Regierung am Ruder, das stört sehr viele im Land, daher wird sie diffamiert, was das Zeug hält.

derStandard.at: Ihr steirischer Parteikollege Georg Mayer hat aber auch bereits Rücktritte gefordert. Anscheinend denken in der FPÖ nicht alle so wie Sie.

Vilimsky: Faktum ist, wir haben in Österreich einen Rechtsstaat. Man gilt nicht als verurteilt, solange nicht die letzte Instanz gesprochen wurde. Es wäre gut, wenn wir uns alle daran halten. Sonst hätten Faymann und Ostermayer schon längst zurücktreten müssen.

derStandard.at: Warum vergleicht sich die FPÖ immer mit den anderen? Die FPÖ könnte mit gutem Beispiel vorangehen.

Vilimsky: Ich vergleiche mich deshalb mit den anderen, um dem Journalismus, der vierten Gewalt im Staat, ein bisschen ans moralische Gewissen zu appellieren. Es muss gleiche Beurteilungsebenen geben und es darf nicht dann, wenn es um die FPÖ geht, völlig überzogen agiert werden. Bis jetzt gibt es Anschuldigungen und sonst nichts.

derStandard.at: Uwe Scheuch wurde nicht rechtskräftig verurteilt. Das ist mehr als eine Anschuldigung.

Vilimsky: Die Sache ist für mich wirklich verwunderlich und stellt für mich einen kleinen Justizskandal dar. Dass nämlich aufgrund eines reinen Wortwechsels hier Urteile gefällt werden. Es ist nie eine praktische Handlung gefolgt. Da kann mit der Rechtsprechung etwas nicht stimmen.

derStandard.at: Auf der Facebook-Seite von Parteichef Strache kippt die Stimmung zunehmend. Fans schreiben, dass die FPÖ immer alles vertuschen will.

Vilimsky: Schauen Sie, es gibt 108.000 Fans auf der Strache-Seite. Wobei da etliche dabei sind, die von anderen bewusst eingeschleust werden und dann versuchen, negative Stimmung zu verbreiten.

derStandard.at: Also hat Strache gar nicht so viele Fans, wie er immer sagt.

Vilimsky: Dann sind es nicht 108.000, sondern 107.700. Der Rest kommt aus den Parteisekretariaten von Rot, Schwarz und Grün. Das merken wir, dass sich da Provokateure einschleichen.

derStandard.at: Wieso hat der Parteichef so zögerlich auf die Geschehnisse in Kärnten reagiert, mit zeitlicher Distanz und nur über Facebook?

Vilimsky: Es gibt wenige Tage im Jahr, die auch seinen Kindern gehören. Es steht jedem Menschen zu, auf Urlaub zu fahren.

derStandard.at: Bereuen Sie die Kooperation mit der FPK?

Vilimsky: Überhaupt nicht. Wenn man in Kärnten unterwegs ist, merkt man, wie viel an positiver Stimmung zu spüren ist.

derStandard.at: Wann waren Sie das letzte Mal in Kärnten?

Vilimsky: Vor circa zwei Wochen. Die Leute sind froh, dass das Land nicht an die Roten oder Schwarzen ausverkauft wird.

derStandard.at: Der Politologe Peter Filzmaier hat gesagt, die Fusion mit der FPK 2009 habe auch deshalb stattgefunden, damit die FPÖ ein Musterbeispiel für eine Regierungsbeteiligung vorzuweisen hat. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. War das also die falsche Strategie?

Vilimsky: Man muss immer den Zeitpunkt hernehmen, wo man das betrachtet. Heute hat das natürlich problematische Facetten, wenn es einen Herrn Birnbacher gibt, der Anschuldigungen getroffen hat. Ich gehe aber davon aus, dass nichts dahintersteckt und Birnbacher nur Verantwortung und die Schuld verbreitern möchte. Wenn sich Birnbachers Vorwürfe als unkorrekt herausstellen, hat die Kooperation mit der FPK sehr viele positive Effekte, keine Frage.

derStandard.at: Herr Birnbacher war immer ein guter Spezi der Haider-Partie. Bei Martinz hat er offenbar nicht gelogen, warum sollte er in puncto FPK lügen?

Vilimsky: Ich sage weder, dass er lügt, noch dass er die Wahrheit sagt. Er macht Behauptungen in einer Ausnahmesituation. Ob diese stimmen, nicht stimmen, erfunden sind oder Schutzbehauptungen sind, das müssen die Gerichte klären.

derStandard.at: Soll es in Kärnten Neuwahlen geben?

Vilimsky: Mit derselben Begründung hätte es in Österreich schon längst Neuwahlen geben müssen, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Faymann und Ostermayer aufgenommen hat. Das ist eine Sache, die der Kärntner Landtag entscheiden muss. Für mich ist die Neuwahl-Sache dann Thema, wenn es rechtskräftige Verurteilungen gibt.

derStandard.at: Es gibt die Möglichkeit, dass die Regierung in Wien die Abberufung des Kärntner Landtages über den Bundesrat erwirkt. Ist das eine Option?

Vilimsky: Ob die Kärntner sich darüber freuen, wenn sie aus Wien Neuwahlen diktiert bekommen?

derStandard.at: Wenn Sie Scheuch weiter stützen, sind Sie dafür mitverantwortlich, dass die Politik ein derartiges Image hat.

Vilimsky: Ich decke niemanden, sondern halte den Rechtsstaat hoch.

derStandard.at: Dafür haben Sie aber eine sehr schlechte Meinung über den Rechtsstaat.

Vilimsky: Ja, schon, aber trotzdem akzeptiere ich ihn. Ich kann auch ein Urteil kritisieren, wenngleich ich es akzeptiere. Das muss erlaubt sein.

derStandard.at: Sollte Scheuch Finanzminister werden, wenn die FPÖ in die Regierung kommt?

Vilimsky: Ich vergebe weder für den Herrn Scheuch noch den Herrn Vilimsky Regierungsposten.

derStandard.at: Wenn Ihnen ein Hund ans Bein pinkelt, was tun Sie dann?

Vilimsky: Ich versuche, dass ich das Bein schon vorher nicht in der Position habe, dass er hinpinkeln kann.

 

Zweiter Teil des Interviews: Vilimsky über FPÖ-Finanzierung, Neuwahlen, Rückkehr zum Schilling und Beschneidung >>>


derStandard.at: Stichwort Parteienfinanzierung. Wie ist die FPÖ finanziell aufgestellt?

Vilimsky: Wir haben mit der Spaltung ein millionenschweres Erbe übernommen und haben seitdem die Schulden Zug um Zug zurückgezahlt. Jetzt sind wir dabei, das Mögliche zu machen, um Geld für den kommenden Wahlkampf zu sammeln.

derStandard.at: Wie viel brauchen Sie dafür?

Vilimsky: Erfahrungsgemäß um die vier Millionen Euro. Vielleicht ein bisschen mehr.

derStandard.at: Wie viel haben Sie schon?

Vilimsky: Zu wenig. Viel zu wenig.

derStandard.at: Woher bekommen Sie dieses Geld?

Vilimsky: Von der Republik Österreich. Es gibt ein Parteienfinanzierungsgesetz und ein Klubfinanzierungsgesetz.

derStandard.at: Parteien werden ja auch gesponsert. Wer sponsert die FPÖ?

Vilimsky: Wir haben viele Sponsoren. Das sind aber private Kleinsponsoren aus der Bevölkerung, die bei Veranstaltungen 20 oder 50 Euro in den Pot legen. Wir würden auch nicht wollen, dass uns eine Firma sponsert.

derStandard.at: Gibt es auch Unterstützung aus dem Ausland?

Vilimsky: Es gibt aus dem Ausland eine Unterstützung von exakt null Euro.

derStandard.at: Die FPÖ ruft auf ihrer Homepage auch zu Spenden auf, was kommt da rein?

Vilimsky: Das sind marginalste Summen.

derStandard.at: Und wie kommen Sie dann auf die vier Millionen?

Vilimsky: Über das Parteienfinanzierungsgesetz bekommen wir im Jahr zwei Millionen Euro, da muss man sehr streng haushalten und für Wahlkampfzeiten Geld ansparen.

derStandard.at: Wann wird es eigentlich auf Bundesebene Wahlen geben?

Vilimsky: Herbst 2013, weil sich Rot und Schwarz fix aneinanderklammern werden. Obwohl wir in einer Zeit leben, in der die komplette soziale Stabilität in Frage gestellt ist. Denn wenn die Währung nicht hält, dann werden wir sozial große Spannungen bekommen.

derStandard.at: Sind Sie eigentlich für die Rückkehr zum Schilling, ja oder nein?

Vilimsky: Ich bin dafür festzustellen, dass der Euro in der jetzigen Form ...

derStandard.at: Ja oder nein? Das ist eine Entscheidungsfrage.

Vilimsky: Wenn politische Entscheidungen nur so einfach wären. Ich versuche es ja zu präzisieren. Ich gebe Ihnen die Antwort: A: Die Feststellung, dass der Euro in der jetzigen Form eine Misserfolgsformel war und wahrscheinlich keine Zukunft hat. B: Auf Basis dieses Szenarios wollen wir eine Entwicklung in Richtung Nordeuro und Südeuro, wo man starke Volkswirtschaften zusammenfasst und den schwächeren auch durch einen Zusammenschluss die Möglichkeit gibt, sich zu entschulden. Funktioniert das auch nicht, dann bin ich dafür, dass wir ins rot-weiß-rote Rettungsboot springen und zu einer eigenständigen Währung zurückkehren.

derStandard.at: Über welchen Zeitraum soll das passieren?

Vilimsky: Die Sanduhr läuft in dramatischer Geschwindigkeit.

derStandard.at: Wie veranlagen Sie eigentlich Ihr Geld?

Vilimsky: So viel bleibt nicht übrig. Was ich seit geraumer Zeit mache: Ich kaufe mir Goldmünzen. Ich fühle mich mit dem Euro unwohl, wenn der auf dem Sparbuch liegt. Mir persönlich fehlt das Vertrauen, weil ich sehe, wie die Kaufkraft schwindet. Der Goldpreis steigt seit über zehn Jahren. Aber ich bin kein Anlageberater. Es steht mir als Politiker nicht zu, den Menschen Anlageempfehlungen zu geben.

derStandard.at: Andere in Ihrer Partei machen das schon und raten alten Damen zur Einbringung ihres Vermögens in Stiftungskonstruktionen.

Vilimksy: Wenn eine Dame zu der Erkenntnis kommt, dass sie über ihre Lebensdauer hinaus Bestand haben will, dann soll man so einer Dame diese Möglichkeit bieten.

derStandard.at: Wie stehen Sie zur Beschneidung?

Vilimsky: Sehr schwieriges Thema, wo ich nicht glaube, dass man es zum Gegenstand klassischer Parteimeinungen machen soll. Wir haben das Prinzip der Religionsfreiheit.

derStandard.at: Das wäre aber das erste Mal, dass die FPÖ auf religiöse Themen nicht eingeht.

Vilimsky: Geben Sie mir ein Beispiel.

derStandard.at: Beim Thema Islam sind sie mehr als kritisch.

Vilimsky: Was wir meinen, ist, dass gewisse Ausprägungen des Islam inkompatibel mit der Gesellschaft sind. Zum Beispiel was die Rechte der Frauen im Islam betrifft.

derStandard.at: Aber die Beschneidung finden Sie in Ordnung?

Vilimsky: Es gibt mehrere Beurteilungs-Facetten: Zum einen ist es eine über viele Jahre ausgeführte Tradition, auf der anderen Seite gibt es das Recht auf den unversehrten Körper. Das ist eine sehr sensible Frage.

derStandard.at: Ihre persönliche Meinung?

Vilimsky: Ich habe meinen Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen. Das ist auch eine Tradition, die niemand ernsthaft in Frage stellt in Österreich.

derStandard.at: In Vorarlberg hat die FPÖ das Beschneidungsverbot vorangetrieben.

Vilimsky: Das ist eine Sache, die man nach individuellen Gesichtspunkten betrachten muss und wo die Partei keinen monolithischen Meinungsblock formt. (Rosa Winkler-Hermaden/Rainer Schüller, derStandard.at, 27.7.2012)