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Red-Hat-Entwickler Lennart Poettering plädiert für einen verstärkten Fokus der GNOME/Linux-Desktop-Entwicklung.

Im Rahmen eines Vortrags auf der derzeit im spanischen A Coruña abgehaltenen GNOME-Konferenz GUADEC hat der bei Red Hat beschäftigte Entwickler Lennart Poettering für ein zentrales Umdenken in der Linux-Desktop-Entwicklung plädiert. Das klassische Modell der strikten Trennung zwischen Betriebssystem und User Interface habe sich überlebt, es sei an der Zeit das Betriebssystem als Ganzes zu denken.

Vereinheitlichung

Statt wie bisher immer neue Abstraktionsebenen einzuführen, um die Fülle aller irgendwie verfügbaren Technologien zu unterstützen, sollte man sich besser darum bemühen, den Desktop direkt mit den Kernteilen des Betriebssystems zu verankern - und diese den eigenen Bedürfnissen nach anzupassen "Lasst uns ein gutes Betriebssystem entwickeln, nicht fünfzehn", so der Aufruf von Poettering an die GNOME-Community, der wohl nicht ganz zufällig in die aktuellen Diskussionen über das Konzept eines eigenen "GNOME OS" fällt.

Vorteile

Sobald man sich von der Idee verabschiede, die individuellen Eigenheiten von 10.000 Distributionen unterstützen zu wollen, tue sich die Chance auf, ein wesentlich schlankeres, einfacheres und auch besser testbares System zu entwickeln. Die Aufgabe von Distributionen sei es die Software an die NutzerInnen auszuliefern, und nicht dem Desktop mit Alleingängen aller Art die Arbeit schwerer zu machen und zusätzliche Komplexität im Code zu verursachen.

Beispielhaft

Als Beispiel dafür, dass man diese Zersplitterung durchaus erfolgreich bekämpfen kann, verweist Poettering auf die Einstellungen für Zeit und Lokalisierung. Diese seien bis vor kurzem noch bei praktisch jeder Distribution an anderer Stelle zu finden gewesen. Durch die direkte Nutzung der von Systemd bereitgestellten APIs für Zeit und Lokalisierung in GNOME, setze sich hier nun aber endlich ein einheitlicher Mechanismus durch.

Überdimensioniert

Als Beispiel für aktuell genutzte Lösungen, die Poettering als überdimensioniert ansieht, nennt er explizit NetworkManager oder die für Power-Management genutzten pm-utils, die beide mittlerweile viel zu viele Dinge übernehmen würden, die eigentlich direkt vom Kernel erledigt werden sollten.

Ausblick

Für die Zukunft gebe es jedenfalls einiges zu tun, eine Idee wäre es etwa, das Interprozess-Kommunikations-Framework dbus direkt in den Kernel wandern zu lassen - immerhin laufe ein modernes System ohnehin längst nicht mehr ohne dbus. Ebenfalls interessant wäre die Nutzung des System Service Managements auch für User Services - was nicht zuletzt einen signifikanten Performancegewinn bringen würde. In der Realität sei es so, dass der Kernel auf einem modernen System mittlerweile in rund einer Sekunde boote, das Kern-System auch, und die GNOME-Services dann 15 Sekunden zur Wartezeit hinzufügen.

Sicherheitsverbesserungen

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sei die Chance aktuelle Kernel-Technologien wie squashfs+loop, draccut, seccomp und Co. zu nutzen, um die Sicherheit von GNOME-Anwendungen signifikant zu verbessern, diese besser von einander abzugrenzen und in ihren Rechten einzuschränken. Ähnlich wie es schon jetzt bei mobilen Betriebssystemen wie Android praktiziert wird, auch wenn sie Poettering davon überzeugt zeigt, dass man dieses Level übertreffen könne.

Druck machen

Von den anwesenden EntwicklerInnen wünscht sich der Red-Hat-Entwickler vor allem eines: Klar formulierte Wünsche. Es sei an der Zeit, dass der Desktop die Kernel- und Kernbetriebssystementwicklung (an der Poettering selbst maßgeblich beteiligt ist, Anm.) treibe. GNOME sei dafür in einer optimalen Position, immerhin sei man historisch schon immer stark an der Betriebssystem-Entwicklung - von HAL über udisks, PulseAudio oder NetworkManager - beteiligt gewesen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 27.07.12)