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Rolf Holub über die politische Kultur in Kärnten: "Das ist eine systemische Geschichte, wo es so ausschaut, als würden Einzelne immer mitschneiden."

Foto: APA/Eggenberger

Seit 2007 arbeitet der grüne Kärntner Landtagsabgeordnete Rolf Holub an der Causa Hypo. "Es ist ein Erfolg des Arbeitens", zeigt sich Holub heute zufrieden darüber, dass die illegale Finanzierung von Kärntner Regierungsparteien ans Tageslicht gekommen ist. Holub fordert Neuwahlen und drängt auf mehr politische Kontrolle in Kärnten. Er bezeichnet das bisherige System als ein "sizilianisches", die Bevölkerung sei "sehr, sehr zornig".

derStandard.at: In einer ersten Reaktion haben Sie gesagt, dass Sie selbst überrascht waren vom Ausmaß der Entwicklungen in Kärnten. Warum?

Holub: Wir haben es leider befürchtet, aber dass die alle so lügen, das ist doch eine ganz neue Erfahrung für mich. Vermutet haben wir es schon, sonst hätten wir es nicht angezeigt. Aber dass das immer so konsequent durchgezogen wird, dass immer nur das zugegeben wird, was nicht mehr zu leugnen ist, das ist schon eine neue Kultur.

derStandard.at: Inwiefern beurteilen Sie das als Erfolg Ihrer Partei, dass das jetzt alles aufgekommen ist?

Holub: Es ist ein Erfolg des Arbeitens. Man sieht, wenn man wirklich fest arbeitet, zahlt sich das aus. Und das ohne Ressourcen - wir haben weder einen Arbeitsplatz noch einen Cent dafür bekommen, dass wir einen Untersuchungsausschuss machen. Man rechnet dann gar nicht damit, dass das so erfolgreich wird. Wenn Sie sich aber unseren Endbericht ansehen mit 705 Seiten, da steht schon einiges drinnen. Seit 2007 arbeiten wir schon an der Causa Hypo. Es sind sehr viele Anzeigen, die niedergeschlagen wurden. 

derStandard.at: Bis jetzt ist nur klar, dass Geld an Martinz geflossen ist. Wird sich in Bezug auf die FPK der Verdacht noch bestätigen?

Holub: Ich habe noch einige Akten mit einigen zig Millionen, wo ich mir wünschen würde, dass sich die Staatsanwaltschaft das anschaut. Das, was jetzt bekannt wurde, ist kein Einzelfall. Das ist eine systemische Geschichte, wo es so ausschaut, als würden Einzelne immer mitschneiden. Das ist ein sizilianisches System.

derStandard.at: Können Sie irgendwelche Beispiele nennen?

Holub: Ich denke an viele Großprojekte. Das erkennt man auch daran, was im Untersuchungsausschuss in Wien herausgekommen ist. Man muss sich nur die Rechnungen anschauen und dann die Angemessenheit der erbrachten Arbeit. 

derStandard.at: Sie meinen, es ist gang und gäbe im politischen System, erhöhte Rechnungen zu stellen?

Holub: Wenn Sie im Lexikon unter "Pizzo" nachschauen, dann werden sie finden, was die Sizilianer damit gemeint haben. Es beschreibt ziemlich genau das System, wie es funktioniert: mit erhöhten Rechnungen, Prozenten, Scheinanstellungen und Scheinrechnungen. Allein die Firma Connect verschickte Rechnungen, wo für Beratungen zigtausende Euro verrechnet wurden. 

derStandard.at: Was muss sich in Kärnten jetzt ändern?

Holub: Wir gehen davon aus, dass Neuwahlen die einzige Möglichkeit sind. Unser Hauptproblem ist das Gesamtsystem in Kärnten. Es ist ein Proporzsystem mit wenigen Minderheitenrechten. Das sehen die größeren Parteien halt nicht so, weil sie einen anderen Blickwinkel haben. Wir haben zu wenige Kontrollrechte. Der Kärntner Rechnungshof ist der einzige in Österreich, der seine Berichte nicht öffentlich machen darf. In der heutigen Landtagssitzung gibt es beispielsweise elf Dringlichkeitsanträge, und ich darf bei keinem einzigen reden.

Wenn man mit so viel Macht ausgestattet ist wie der Herr Dobernig, der vor zwei Wochen Landesanteile in Höhe von 100 Millionen Euro an der KELAG im Alleingang verkauft hat, ohne jemandem etwas davon zu sagen, ist das einfach nicht okay.

derStandard.at: Was erwarten Sie sich von der Landtagssitzung am Freitagnachmittag?

Holub: Das Kräftemessen wird anfangen, es wird Neuwahlanträge geben. Ich denke auch, dass die Neuwahlanträge heute vielleicht sogar eine Mehrheit bekommen werden. Dann gehen sie in den Ausschuss. Oder die FPK wird heute schon probieren, das Quorum nicht möglich zu machen.

derStandard.at: Indem die FPK-Abgeordneten den Saal verlassen?

Holub: Das wäre eine Möglichkeit, die andere Möglichkeit wäre, dass sie den Ausschuss verlassen. Du kannst keinen Antrag in der Sitzung beschließen, es muss jeder Antrag durch einen Ausschuss.

derStandard.at: Wie wird sich die ÖVP heute verhalten?

Holub: Ich denke, die wird kooperativ sein. Herr Obernosterer hat angekündigt, er ist auch für Neuwahlen und will nicht mehr zusammenarbeiten mit Dobernig und Scheuch. Also denke ich, dass er sich eher auf die Kenia-Koalition-Seite schlägt, also dass es eine Zusammenarbeit von Rot, Schwarz und Grün geben wird.

derStandard.at: Wie bewerten Sie die Rolle von Herrn Obernosterer, ist er ein gutes Signal als ÖVP-Chef?

Holub: Ich glaube, er war der kleinste gemeinsame Nenner, den man gefunden hat. Ich wünsche ihm viel Glück, er wird keine leichte Aufgabe haben, aber das große Zeichen der Erneuerung ist er nicht. 

derStandard.at: Wie kann man die derzeitige Stimmung in Kärnten beschreiben?

Holub: Die Leute sind erzürnt. Wenn ich durch die Straße gehe, bekomme ich sehr viel Anerkennung, aber auch sehr viel Zorn zu spüren. Die Leute sagen, sperrt sie endlich ein. Schaut, dass sich was ändert. Schmeißt sie aus dem Land hinaus. Die Menschen sind wirklich sehr, sehr zornig.

derStandard.at: Angenommen, es gibt jetzt Neuwahlen: Was würde herauskommen?

Holub: Das ist immer sehr spannend. Ich hätte mir ja nicht gedacht, dass der Jörg Haider als Toter mehr Stimmen macht als die SPÖ. Ich glaube, es werden weniger Menschen zur Wahl gehen. Die Blauen werden verlieren, aber ob sie wirklich so viel verlieren, das ist wieder eine andere Sache.

derStandard.at: Angenommen, die SPÖ wird stimmenstärkste Partei: Würde sich wirklich etwas ändern im Land?

Holub: Ich glaub schon. Peter Kaiser hat gelernt aus den Fehlern, die die Roten früher gemacht haben. Aber ich weiß nicht, ob er alles gelernt hat. Es kann auch sein, dass sich neue Parteien im Land etablieren. Alles, was die Konkurrenz belebt, ist zu begrüßen. Je mehr Menschen sich an der Demokratie beteiligen, desto besser. Das Schlimmste ist, wenn sie alle zurückziehen und das ein paar Hanseln überlassen.

derStandard.at: An welche neuen Parteien denken Sie?

Holub: Es denkt die Volksgruppe dran anzutreten. Das Liberale Forum könnte auftauchen, das BZÖ wird sicherlich versuchen anzutreten, auch die Piraten. Die Blauen könnten sich abspalten, der Dörfler könnte mit einer eigenen Partei antreten, es ist vieles möglich. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 27.7.2012)