Die Tsetse-Fliege überträgt die krank machenden Parasiten per Biss.

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"Der Name Schlafkrankheit ist ein Unfug", sagt Herwig Kollaritsch vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Med-Uni Wien. "Die Krankheit hat nichts mit Schlafen zu tun, Patienten sind in der zweiten Phase benommen, zeigen durch den Befall des Gehirns Wesensveränderungen oder die Neigung, den Schlaf-Wach-Rhythmus umzukehren."

Die Afrikanische Schlafkrankheit (Afrikanische Trypanosomiasis) ist eine Infektionskrankheit, die von der Tsetse-Fliege auf den Menschen übertragen wird. Ausgelöst wird sie von dem tropischen Parasiten Trypanosoma brucei. Es gibt zwei Verlaufsformen, die nach den regionalen Vorkommen der Parasiten in ostafrikanische (Trypanosoma brucei rhodesiense) und westafrikanische (Trypanosoma brucei gambiense) Schlafkrankheit unterschieden werden.

Weniger Fälle

Die schlechte Nachricht: Unbehandelt endet die Krankheit tödlich, und bis heute gibt es keinen Impfstoff dagegen. Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der Neuinfektionen seit 2004 konstant zurückgeht. Für 2010 verzeichnete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 7.139 neue Fälle. Zum Vergleich: 1995 wurden in Afrika 300.000 Neuinfektionen geschätzt, 60 Millionen Menschen lebten damals in Risikogebieten südlich der Sahara.

"Generell ist davon auszugehen, dass die Schlafkrankheit abgenommen hat, die Fälle werden weniger, auch in den Verbreitungsgebieten selbst", sagt Kollaritsch, der die Abteilung Epidemiologie und Reisemedizin leitet. "Bei Fernreisenden ist das eine unglaubliche Rarität, in den vergangenen Jahrzehnten gab es eine Handvoll Fälle in Europa. Ich bin seit 30 Jahren in der Tropenmedizin und habe in meiner ganzen Laufbahn keinen einzigen Fall gesehen, der nach Österreich eingeschleppt worden wäre."

Regionale Beschränkung

Die Schlafkrankheit kommt nur auf dem afrikanischen Kontinent vor und dort nur regional beschränkt in relativ genau bekannten Gegenden. Vor allem die einheimische Bevölkerung kann den Erregern nicht gänzlich aus dem Weg gehen, denn die Tsetse-Fliege kommt in besonders fruchtbaren Gebieten entlang von Flüssen Westafrikas vor, also genau dort, wo sich optimale Bedingungen für den Ackerbau finden, während in Ostafrika die Savanne das Hauptverbreitungsgebiet ist. "Die Krankheit betrifft hauptsächlich die einheimische Bevölkerung in ländlichen Gebieten Afrikas. Trypanosomiasis kommt generell nicht im städtischen Umfeld vor", schreibt die WHO auf ihrer Website.

Ansteckungsherd in bestimmter Region

Dennoch befinden sich in den endemischen Regionen Ostafrikas auch Nationalparks, die von Touristen besucht werden. "Etwa 2006/07 sind immer wieder touristische Fälle aus der Serengeti in Tansania aufgetreten, die an das europäische Netzwerk 'Tropnet' gemeldet wurden", erinnert sich Kollaritsch. "Das war eine ganz bestimmte Region, man konnte den Herd schließlich auf die Umgebung einer Lodge eingrenzen. Etwa ein Dutzend Fälle sind damals unter Reisenden aufgetreten." Nach etwa zwei Jahren war der Spuk vorbei und die Zahlen rückläufig.

Zur Vorbeugung rät Herwig Kollaritsch Reisenden, "der Tsetse-Fliege aus dem Weg zu gehen." Insektenabwehrende Sprays, sogenannte Repellents, für Haut und Kleidung schlagen die Fliege wirksam in die Flucht. "Da, wo es die Tsetse-Fliege gibt, gibt es auch Malaria, und damit würde ich ähnliche Schutzmaßnahmen anwenden", rät der Experte. Dazu zählen auch entsprechende Kleidung und das Moskitonetz für die Nacht.

Verlauf und Behandlung

Nach dem Biss durch die infizierte Fliege breiten sich die Parasiten über Körperflüssigkeit aus. Die ostafrikanische und westafrikanische Schlafkrankheit unterscheiden sich durch ihren Verlauf. Beide verlaufen aber in zwei Stadien. In der ersten Phase verbreitet sich der Parasit über das Blut- oder Lymphsystem im Körper. "Da kommt es zu Fieber, Lymphknotenschwellungen und grippeähnlichen Symptomen", erläutert Kollaritsch. Im zweiten Stadium, dem meningo-enzephalitischen Stadium, überwinden die Parasiten die Blut-Hirn-Schranke und migrieren in das zentrale Nervensystem und schädigen das Gehirn.

"Die ostafrikanische Schlafkrankheit ist gefährlicher, weil sie sehr schnell - innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen - das zentrale Nervensystem befällt", erklärt der Experte. Im Falle einer Infektion durch Trypanosoma brucei gambiense ist der Verlauf schleichend und es kommt sogar vor, dass infizierte Menschen jahrelang keinerlei Anzeichen einer Erkrankung zeigen.

Die Behandlung ist demnach im ersten Stadium, solange die Krankheit nicht das Gehirn befallen und irreparabel beschädigt hat, erfolgversprechender. Eingesetzt wird dazu eine überschaubare Anzahl von Medikamenten, die allesamt sehr toxisch sind und schwere Nebenwirkungen wie zum Beispiel Nierenschädigungen haben. "Die Behandlung gehört in die Hände eines erfahrenen Tropenmediziners und die Werte der Patienten müssen über die Behandlungsdauer, die zwei bis drei Wochen umfassen kann, täglich kontrolliert werden", sagt Kollaritsch. "Die Therapie ist ein bisschen wie den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Aber noch einmal zur Beruhigung: Die Schlafkrankheit ist eine ausgesprochene Rarität unter Reisenden." (Gabriela Poller-Hartig, derStandard.at, 27.7.2012)