Die Unschuldsvermutung ist die Gewinnwarnung der heimischen Parteien an ihre Wähler. In Kärnten hat sie sich erfüllt - schon länger am wirtschaftlichen Abgrund, steht das Bundesland nun auch unverhüllt vor dem politischen Bankrott. Danke Jörg! Wenn sein Nachfolger Gerhard Dörfler in der Rolle der bedrängten Unschuld wirklich durchregieren will, als wäre am Mittwoch nichts gewesen, verwirklicht er den Tatbestand der politischen Konkursverschleppung in einer Verantwortungslosigkeit, aus der er sich auch mit dem Hinweis auf seine eingeschränkten geistigen Fähigkeiten nicht freikaufen kann. Offenbar stört ihn die Vorstellung - noch - nicht, Sitzungen der Kärntner Landesregierung eventuell im Landesgericht abzuhalten.

Politiker, die es schon aus professionellen Gründen besser hätten wissen müssen, sind enttäuscht, als hätte sie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Das tumbe Volk hingegen fühlt sich nach allem, was ihm in den letzten Monaten zizerlweise enthüllt wurde, nur noch bestätigt: So sind sie alle. ÖVP-Obmann Spindelegger - enttäuscht. Zuvor war er vermutlich schon von Ernst Strasser enttäuscht. Dann gesellte sich die Enttäuschung über Rauch-Kallat hinzu. Ob auch von Wolfgang Schüssel, weiß man nicht. Selbst wenn man unterstellt, sein Gefühl sei echt (und da muss man sich schon ein wenig plagen), erhebt sich die Frage: Wie lange noch? Vielleicht wurzelt die späte Enttäuschung darin, dass man es vorher nicht so genau wissen wollte. Noch in der Vorwoche habe ihm Josef Martinz versichert, alles sei in Ordnung, aber sicherheitshalber mit einem Rücktritt aus der Landesregierung abgetan. Fragt ein ÖVP-Obmann (und immerhin Vizekanzler der Republik) da nicht gründlich nach? Oder lässt er sich lieber belügen, in der Hoffnung, irgendwie werde man schon mit der Unschuldsvermutung über die Runden kommen? Wenn es nicht funktioniert, kann man später immer noch enttäuscht sein.

Die Patrioten - enttäuscht. Gleich mehrfach. Für die Enttäuschung, die ihnen schon einmal ein Führer bereitet hat, indem er trotz guter Beschäftigungspolitik den Weltkrieg verlor, mit einem zweiten Führerwunder entschädigt, mussten sie zusehen, wie sich ihr Idol vor laufenden Fernsehkameras, flankiert von seinem Komplicen Martinz, als zynischer Schmierenkomödiant einen Patriotenrabatt zugutehielt, der sich nun als höchst unpatriotische Schmiergeldrotation herausstellt. Dem Taschenspieler, der hier ein Taferl, da einen Hunderter, dort ein Stadion aus dem Hut gezaubert hat, waren sie noch verfallen, als schon klar war, dass er das Land ruiniert hat. Aber dass aus dem Patriotenrabatt nicht einmal das ihnen zustehende Drittel in ihre Kassen geflossen sein soll, ist - enttäuschend. Was blieb da übrig, als beim russischen Roulette wenigstens einen kleinen Part of the Game hereinholen zu wollen?

Dass die Haider-Blase irgendwann platzen musste, war, auch ohne Gutachter, immer klar, da gilt das Überraschungsverbot. Ob der Knall Ein- und Umkehr bewirkt? Wenn Strasser, Rauch-Kallat, Mennsdorf etc. dem Beispiel Martinz' folgen, hätte Spindelegger die nächsten Enttäuschungen bald hinter sich. (Günter Traxler, DER STANDARD, 27.7.2012)