Die Bundesregierung will den Kärntner Landtag auflösen. Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) sieht dazu keinen Grund.

Foto: Standard/Cremer

Bild nicht mehr verfügbar.

Dörfler, Scheuch und Dobernig vor Beginn der Sondersitzung der Kärntner Landesregierung.

Foto: APA/Eggenberger

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter ist dafür, dass die Bundesregierung beim Bundespräsidenten einen Antrag auf Auflösung des Kärntner Landtags einbringt. "Der Weg über den Landtag ist verbaut", stellt Kräuter fest. Der stellvertretende ÖVP-Obmann, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, hat Mittwochabend in der "ZiB 2" diese Möglichkeit ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der Kärntner Landtag selbst will sich nicht auflösen - Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) hat sich bereits gegen Neuwahlen ausgesprochen und am Donnerstag seine Position bekräftigt. 

"Keine Alternative"

"Es braucht einen Neubeginn in Kärnten. Bei einem Land mit diesen Problemen wäre es erbärmlich, wenn es weiterhin so dahinvegetiert. Ich bin dafür, dass man das macht. Das muss man in der Bundesregierung diskutieren", sagt SPÖ-Geschäftsführer Kräuter im Gespräch mit derStandard.at. Dazu gebe es "keine Alternative". Kräuter ortet auch bei Mitterlehner Signale in diese Richtung. Von der Sprecherin von ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch heißt es am Donnerstag gegenüber derStandard.at, den Aussagen Mitterlehners sei "nichts hinzuzufügen". In erster Linie liege der Ball jetzt aber bei der Kärntner Landesregierung.

Es wäre das erste Mal in der Republik Österreich, dass ein Landtag auf Antrag der Bundesregierung aufgelöst wird. "Das ist eine außergewöhnliche Situation", meint Kräuter dazu. Schließlich habe es auch nie zuvor einen derartigen "Korruptionssumpf" in Österreich gegeben.

Dass die Regierung diese Verfassungsbestimmung tatsächlich in Anspruch nimmt, ist aber umstritten. So meinte Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) am Donnerstag auf APA-Anfrage, dass es sich bei dieser Bestimmung um einen Notfallparagrafen handle. Eine Handlungsunfähigkeit des Kärntner Landtages sei aber nicht gegeben. Diese Diskussion sei daher vordergründig von den politisch Verantwortlichen in Kärnten zu führen, so Ostermayer.

"Neuwahlen lösen keine Probleme"

"Der gestrige Tag war eine Bombe für mich", sagte Dörfler am Donnerstag vor einer außerordentlichen Regierungssitzung in Klagenfurt. In der Causa sei zwar alles aufzuklären, "es gab aber auch rote Skandale", so der Landeshauptmann. "Neuwahlen lösen aber keine Probleme", meinte der FPK-Politiker. Die außerordentliche Regierungssitzung war von Dörfler ursprunglich einberufen worden, um per Regierungsbeschluss eine Anzeige gegen die Kärntner SPÖ wegen angeblicher illegaler Parteienfinanzierung herbeizuführen. Thematisch drehte sich vor der Sitzung freilich alles um die Geständnisse, die Steuerberater Dietrich Birnbacher und Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz am Mittwoch im Strafprozess in der Causa Birnbacher am Landesgericht Klagenfurt abgelegt hatten.

SPÖ Kärnten fordert Neuwahlen

"Wir haben es mit dem größten Skandal, den Kärnten in der Zweiten Republik erlebt hat, zu tun", erklärte SPÖ-Landeschef Peter Kaiser. In Kärnten machten sich "Wut, Verzweiflung und Ratlosigkeit" breit. "Wir wurden von einer machtgierigen FPK-ÖVP-Koalition belogen und betrogen", so Kaiser.

Dörfler könne sich nicht auf seine Rolle als Landeshauptmann zurückziehen. "Er war bei den Freiheitlichen Parteikassier und stellvertretender Parteiobmann", sagte Kaiser. Die einzige Möglichkeit einer "politischen Befreiung" sieht er in sofortigen Neuwahlen. Ansonsten würde Kärnten "20 Monate in Geiselhaft" verbleiben. Am Freitag findet im Klagenfurter Landhaus eine von der SPÖ geforderte Landtagssitzung statt. Dabei will die SPÖ einen bereits aufrechten Neuwahlantrag erneuern. Die ÖVP hat bereits ihre Zustimmung angekündigt. Nötig ist allerdings auch die Zustimmung der FPK.

Politologe hält Szenario für unwahrscheinlich

Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hält im Gespräch mit derStandard.at eine Auflösung des Kärntner Landtags durch das Parlament für "politisch irreal". Er gibt zu, von den Aussagen Mitterlehners im ORF sehr überrascht gewesen zu sein, hält das Prozedere aber trotzdem für unwahrscheinlich. Der Bundesrat müsste mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Das würde sich zwar mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ ausgehen (die Kärntner Bundesräte dürften in diesem Fall nicht mitstimmen), wird laut Filzmaier aber trotzdem nicht passieren. "Die Ländervertreter würden damit einen Präzedenzfall schaffen", so der Politologe.

Bundesrats-Präsident: "Nicht in Land hineinintervenieren"

Skeptisch zeigt sich auch Bundesrats-Präsident Georg Keuschnigg (ÖVP) im derStandard.at-Gespräch: "Probleme, selbst wenn sie groß sind, sind im Bundesland zu lösen. In ein Land hineinzuintervenieren ist ein großer Eingriff, der gut überlegt sein soll." Er persönlich würde einer Auflösung des Kärntner Landtags nur dann zustimmen, "wenn Gefahr in Verzug ist". Ob ein solcher Fall bereits jetzt vorliege, dazu wollte Keuschnigg sich "inhaltlich nicht festlegen". Neuwahlen in Kärnten hält er grundsätzlich für sinnvoll, es sollte aber das Land selbst sein, das sich "zu seiner Verantwortung bekennt".

Bundespräsidenten-Sprecherin: "Entscheiden, wenn es so weit ist"

Noch nicht zu einer möglichen Auflösung des Kärntner Landtags will sich Astrid Salmhofer, Sprecherin von Bundespräsident Heinz Fischer, äußern. Ob der Präsident die Auflösung unterzeichne, "das wird man entscheiden, wenn es so weit ist".

FPÖ weist Forderung nach Neuwahlen zurück

Die Bundes-FPÖ wies die Forderung nach Neuwahlen zurück. Er sei der Meinung von Landeshauptmann Dörfler, der für Aufklärung eintrete, Neuwahlen aber nicht als Lösung sehe, sagte  der stellvertretende FPÖ-Chef Norbert Hofer zur APA. Vor der theoretischen Möglichkeit der Bundesregierung, Neuwahlen zu erzwingen, warnte Hofer. Eine Auflösung des Kärntner Landtags durch die Bundesregierung könne ein "ordentlicher Schuss nach hinten werden", weil die Kärntner keine Freude damit hätten, wenn ihnen Neuwahlen von Wien aus verordneten würden.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat sich im Kärntner Korruptionsskandal für "volle Aufklärung" ausgesprochen. Sollten tatsächlich "heutige FPK-Politiker" involviert sein, müsse es "entsprechende Konsequenzen" geben, teilte er auf seiner Facebook-Seite am Donnerstag mit. Weiters lenkte er die Diskussion von den Freiheitlichen weg: Ob die ÖVP nicht doch Zuwendungen von mehr als 100.000 Euro erhalten hat, werde noch zu prüfen sein.

Unterdessen gibt es auch unter FPÖ-Politikern erste kritische Stimmen und Rücktrittsforderungen. So wird der steirische FPÖ-Klubobmann Georg Mayer auf orf.at zitiert: "Wenn sich diese Vorhaltungen, die am Mittwoch aufgekommen sind, bewahrheiten, dann bin ich der Überzeugung, dass das Konsequenzen geben muss innerhalb der FPK, dann muss das auch ein Rücktritt sein, denke ich." (APA/lis/mas, derStandard.at, 26.7.2012)