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Hisham Kandil, neuer Regierungschef in Ägypten.

Foto: AP/dapd

Ein Bart ist ein Bart ist ein Bart, sollte man meinen: nicht so in Ägypten. Besonders wenn ein Politiker ihn trägt, stellt sich die Frage, warum er das tut. Einfach so - oder um dem Bild möglichst ähnlich zu sein, das man sich vom Propheten Muhammad macht?

Der Bart des neuen ägyptischen Premiers Hisham Kandil ist nach dessen eigener Aussage tatsächlich ein islamischer. Das trug Präsident Mohammed Morsi, der Kandil am Dienstag ernannte, sofort den Vorwurf ein, nicht nur einfach einen Technokraten, sondern einen Krypto-Islamisten - Kandil gehört keiner islamistischen Partei an - auf den Sessel des Regierungschefs gehievt zu haben. Damit habe Morsi, so sagen Kritiker von links, sein Versprechen gebrochen, einen unabhängigen Premier auszuwählen. Die Muslimbrüder allerdings betonen, Kandil sei keiner der Ihren, sondern einfach nur religiös.

Schwerer wiegt allerdings der Vorwurf an Morsi, mit Kandil ein Leichtgewicht an die Spitze der Regierung zu setzen: Ganz wie in der Mubarak-Zeit werde damit signalisiert, dass eigentlich der Präsident selbst die Regierungsgeschäfte führe und der Premier nur sein Befehlsempfänger sei. Kandil solle nur einfach das Programm Morsis durchziehen, das allein darauf abzielt, mit der Verbesserung der Dienstleistungen die Muslimbrüder-Wähler bei der Stange zu halten.

Kritik

Diese Kritik wird durch die Anekdote bestärkt, dass Morsi Kandil, den amtierenden Minister für Wasserangelegenheiten, erst vor kurzem bei einem gemeinsamen Besuch in Addis Abeba kennenlernte, wo unter anderem über das Nilbecken geredet wurde. Morsi habe also Kandil quasi im Flug engagiert. Die Kritiker verlangen deshalb, Morsi soll die Kriterien für die Auswahl offenlegen.

Für seinen früheren Job als Wasserminister in den beiden Regierungen nach der Revolution war der 1962 geborene Kandil aber zweifellos qualifiziert. Der Ingenieur hat, wie Morsi, in den USA studiert, wo er den Master und den Doktor machte. Nach Ägypten zurückgekehrt, wurde er Professor am National Water Research Center und hatte Posten im ägyptischen Wasserministerium, aber auch an der African Development Bank in Tunesien inne.

Kandil ist Vater von fünf Kindern, er gilt als bescheiden und diszipliniert - und menschlich einnehmend. Aus seiner Zeit als Minister wird erzählt, dass er einen geistig verwirrten Angestellten, der aus dem achten Stock springen wollte, durch gutes Zureden vom Selbstmord abhielt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 26.7.2012)