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"Größere Opfer der Multimillionärsaktionäre" statt Stellenabbau und Jobverlagerungen forderten wütende Mitarbeiter bei einer Protestkundgebung vor dem PSA-Konzern in Paris.

Foto: AP/Brinon

Philippe Varin, der Vorsteher von PSA Peugeot Citroën, neigt zur Untertreibung. "Der Konzern macht schwierige Zeiten durch", kommentierte er am Mittwoch die Halbjahreszahlen, die noch schlimmer als erwartet ausfallen. Der Autokonzern erlitt von Jänner bis Juli einen Nettoverlust von 819 Millionen Euro - viermal mehr als von Experten erwartet. Der Umsatz sank um 5,1 Prozent auf 29,6 Mrd. Euro; die Autoverkäufe brachen gar um 13 Prozent ein.

Varin kündigte einen Sparplan über 1,5 Mrd. Euro an, der das Unternehmen bis 2014 wieder flottmachen soll. Davon entfallen 600 Millionen auf den bereits angekündigten Abbau von 8000 Stellen in Frankreich. Die Fabrik in Paris-Aulnay wird geschlossen. Neben weiteren Notmaßnahmen hofft PSA, dank der neuen Allianz mit General Motors 350 Mio. Euro einzusparen.

Diese "Synergieeffekte" dürften freilich weitere Stellen kosten. Der Delegierte der Gewerkschaft CGT, Jean-Pierre Mercier, griff Varin in einer Betriebsratssitzung an: "Es ist nicht am Personal, die Rechnung zu begleichen, nachdem PSA in den letzten sechs Jahren schon 20.000 Jobs in Frankreich abgebaut hat." Nötig seien vielmehr höhere Opfer der "Multimillionärs-Aktionäre". Ähnlich tönte es auch in einer Protestkundgebung von 2000 PSA-Arbeitern vor dem Konzernsitz in Paris.

Stadtflitzer ausgebremst

Auslöser des jüngsten Absatz-Einbruchs von Peugeot und Ci-troën, teils auch von Renault, ist der schrumpfende Markt in Südeuropa und in Frankreich selbst. PSA verlor dort besonders viele Kleinwagenkunden. Der Aderlass begann allerdings lange vor der Euro-Schuldenkrise. 2005 fabrizierten die französischen Hersteller in Frankreich noch 3,5 Millionen Autos im Jahr; heute sind es gut zwei Millionen. Die französische Regierung kann der massiven Deindustrialisierung - Frankreich verlor seit der Jahrtausendwende 750.000 Industriearbeitsplätze - nicht tatenlos zusehen. Daher präsentierte der Minister für "produktiven Aufschwung", Arnaud Montebourg, einen Hilfsplan für die Autobranche.

Zur Nachfragelenkung verstärkt er in erster Linie das Bonus-Malus-System. Der Kauf eines Elektrowagens wird neu mit 7000 Euro (bisher 5000) subventioniert. Davon dürfte vor allem Renault profitieren, auch wenn die Absatzzahlen derzeit gering sind. Hybridmotoren - eher eine Stärke von PSA - werden mit 4000 Euro (bisher die Hälfte) unterstützt. Neuwagen mit einem geringen CO2-Ausstoß erhalten einen zusätzlichen Bonus von bis zu 150 Euro. Ob und wie der Malus für schadstoffstarke Wagen steigen wird, will die Regierung bis zum Jahresende bekanntgeben. Heute erreicht er bis zu 3600 Euro.

Kredite und Förderungen

Montebourgs Plan sieht ferner Kredithilfen für die ganze Branche vor. Sie gelten als dringend nötig: Laut Claude Cham, Präsident des Zulieferer-Verbandes Fiev, würden viele der kleinen Ersatzteilhersteller das heurige Jahr nicht überleben. Montebourg schichtet zudem 350 Millionen Euro an Branchenhilfen Richtung Forschung und Entwicklung "sauberer Autos" um. Außerdem will Paris das Handelsabkommen mit Südkorea neu aushandeln. Denn Hyundai überschwemmt Frankreich, während Europa gegen Importhürden Seouls kämpft.

Autoexperten zeigten sich skeptisch ob der Maßnahmen. Denn von den Boni profitieren auch ausländische Kleinwagenhersteller wie VW, Fiat, Ford oder Toyota - Letzterer auch als Hybridspezialist. Die Produktionshilfen betreffen zwar nur französische Marken (andere Hersteller fabrizieren kaum Autos oder Ersatzteile in Frankreich), sind aber durch EU-Regeln beschränkt. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 26.7.2012)