Wolfgang A. Schuhmayer will die Erfolge der tiergestützten Therapie dokumentieren.

Foto: Wolfgang A. Schuhmayer

derStandard.at: Sie warnen auf der Homepage vor unseriösen Angeboten zur tiergestützten Therapie, die sie als "Scharlatanerie" bezeichnen. Worauf ist zu achten?

Wolfgang A. Schuhmayer: Zuallererst auf die Ausbildung, die nachweisbar sein muss. Nach den internationalen Standards dürfen Mediziner, Psychologen mit Psychotherapieschein und Psychotherapeuten tiergestützte Therapie machen - das wissen aber nur sehr wenige. Auch Absolventen von Spezialausbildungen wie jener der Österreichischen Gesellschaft für tiergestützte Therapie, die vom WIFI kontrolliert wird, sind qualifiziert.

Völlig wertlos sind sogenannte "Diplome" von privaten Vereinen. Viele nehmen das Wort Therapie gewissenlos in den Mund, obwohl sie dafür nicht ausgebildet sind. Sie dürfen das juristisch auch, weil der Begriff nicht geschützt ist.

derStandard.at: Sie haben neben Ihrem Medizinstudium auch eine Ausbildung der Österreichischen Gesellschaft für tiergestützte Therapie absolviert. Wie kam es dazu?

Schuhmayer: Die Tatsache, dass ich als Mediziner prinzipiell tiergestützte Therapie machen kann, reicht mir nicht. Man ist es den Patienten in meinen Augen schuldig, dass man ihnen mit der optimalen Ausbildung gegenübertritt. Der Kurs wird von der Wirtschaftskammer getragen und ist sehr praxisorientiert. Ich bin der erste Mediziner, der ihn besucht. Es wird auch auf psychiatrische Erkrankungen eingegangen, aber jenen ohne medizinischen Hintergrund klar signalisiert, diesen Bereich Fachleuten zu überlassen.

derStandard.at: Wo fängt tiergestützte Therapie denn genau an?

Schuhmayer: Tiergestützte Therapie beginnt dort, wo therapeutische Gespräche und die Arbeit mit einem Therapietier einander ergänzen. Tiere mit Menschen zusammenzuführen, damit sie sie streicheln können, ist keine tiergestützte Therapie, das fällt unter "Kuscheltierpädagogik". Ich möchte diese Aktionen keinesfalls abwerten, die Anwesenheit von Tieren gibt Erkrankten ja sehr viel Positives - aber Therapie ist es keine.

Das Problem, das die tatsächliche tiergestützte Therapie aber bisher hatte, war die fehlende Dokumentation. Es gibt wenige Veröffentlichungen. Als ich bei einem Alpakahof mit tiergestützter Therapie in Norddeutschland nachgefragt habe, warum sie nicht ihre Arbeit publizieren, bekam ich die Antwort: Damit uns niemand etwas abschaut. Das kann es nicht sein.

derStandard.at: Ohne Unterlagen über den Erfolg tiergestützter Therapie ist es doch schwierig zu sagen, ob sie tatsächlich hilft ...

Schuhmayer: Es gibt zwar keine streng wissenschaftlichen Studien, aber positive Erfahrungsberichte jener, die bereits erfolgreich tiergestützte Therapie betreiben. Im steirischen Alpakaland gab es den Fall, dass ein autistisches Kind eine Koppel mit 25 Alpakas betreten hat. Es lief 20 Minuten schreiend umher und ist dann plötzlich ruhig stehen geblieben. Die Alpakas haben sich im Kreis um das Kind aufgestellt. Als die Mutter wieder fahren wollte, hatte sie die Befürchtung, dass das Kind beim Einsteigen ins Auto wie üblich schreien würde. Aber es blieb ganz still und entspannt. Die Alpakas scheinen einen Hebel umgelegt zu haben.

derStandard.at: Der fehlenden Dokumentation zur tiergestützten Therapie wollen Sie mit der Gründung des Instituts für Alpaca-Therapie und Forschung entgegentreten. Wie soll die Umsetzung genau aussehen?

Schuhmayer: Die tiergestützte Therapie ist eine Beziehungstherapie, eine psychotherapieähnliche Behandlungsmethode, die durch Zielsetzung und Dokumentation mitdefiniert ist. Wir werden daher die Patientengeschichten mit dem Therapieverlauf und den Ergebnissen schriftlich festhalten. Erst dann weiß man, welcher Weg therapeutisch wohin führt und welche Ergebnisse damit nachweislich erzielbar sind. Das muss dann unbedingt publiziert werden. Da es bisher kaum Veröffentlichungen zu dem Thema gab, gab es auch keine nennenswerte Forschung. Die fehlenden Unterlagen begründen auch, dass Krankenkassen tiergestützte Therapie nicht zahlen. 

derStandard.at: Ist tiergestützte Therapie auf Krankenschein ein wünschenswertes Ziel?

Schuhmayer: Wahrscheinlich nicht, weil die Krankenkassen nur an Billigprodukten interessiert sind und einen mangelhaften Sinn für Qualität haben. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass Institutionen wie etwa die Caritas Therapiestunden ankaufen und diese dann Bedürftigen sponsern oder das Therapie-Institut vom Land gefördert wird. Etwa als Gegenleistung zu einem Forschungsprojekt, denn Almosen wollen wir nicht.

Momentan bin ich gezwungen zu sagen: Das Startgespräch kostet 150 Euro, jede Therapiestunde 120 Euro - und wer das Geld nicht hat, der hat Pech gehabt. Ich möchte das eigentlich nicht, ein sozialer Spielraum ist natürlich sehr wünschenswert. Aber ohne die öffentliche Hand oder - noch besser - private Sponsoren wird es keine Möglichkeit geben, die Therapie günstiger anzubieten. 

derStandard.at: Was können Tiere, was Menschen nicht können?

Schuhmayer: Tiere sind neutral gegenüber allen - also auch Erkrankten. Daraus resultiert ein besonderes Akzeptanzerlebnis. Sie reflektieren ständig ihre Umgebung und spiegeln den tatsächlichen Zustand ihres Gegenübers wider. Der Therapeut nützt diese spezielle Fähigkeit. Tiere sind eine Qualitätskontrolle der Arbeit, weil sie eine Art des Durchblicks haben, die den Menschen verloren gegangen ist. An ihrem Verhalten sehe ich: Gibt es Fortschritte beim Klienten in die Richtung, die ich als wünschenswert betrachte? Das ist eine wichtige Informationsquelle, um die Therapie in die richtige Richtung zu lenken. 

derStandard.at: Worin sehen Sie die Begründung für diese funktionierende Mensch-Tier-Beziehung?

Schuhmayer: Wir rufen natürliche Ressourcen ab, die verloren gegangen sind, weil wir sie einer Art Überzivilisierung geopfert haben. Das sind wichtige Ebenen, die leider verschüttet wurden. Wir können aber immer noch Dinge wahrnehmen, die aus der Zeit stammen, als der Mensch der Natur deutlich näher war. Ich bin davon überzeugt, dass es unter allen Lebewesen auf dem Planeten Gemeinsamkeiten gibt. Das Wesentliche ist, dass die Heilkraft der Natur wieder erweckt und genutzt werden kann. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 26.7.2012)