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Sean FitzPatrick

Foto: AP/Carson Niall

Wien/Dublin - Der Fall Irlands war einzigartig in der Finanzkrise: Anglo Irish, eine Bank mit einer verschwindend geringen Kundenzahl, trieb ein ganzes Land an den Rand des Ruins. Dreieinhalb Jahre später hat die strafrechtliche Aufarbeitung einiger Vorgänge bei dem Kreditinstitut begonnen.

Am Dienstagmorgen wurde Sean Fitzpatrick, der frühere Vorstandsvorsitzende von Anglo, am Dubliner Flughafen verhaftet. Gegen Fitzpatrick wurde Anklage in 16 Punkten wegen einer Reihe umstrittener Kreditgeschäfte erhoben. Bereits am Montagabend wurden zwei weitere Anglo-Manager festgenommen und angeklagt. Das Verfahren gegen die drei - und mögliche weitere Ex-Vorstände der Bank - ist der meistbeachte Kriminalfall Irlands.

Die Verstaatlichung der Anglo Irish im Jänner 2009 hat die irischen Steuerzahler bisher 30 Milliarden Euro gekostet, was einem Fünftel der gesamten irischen Wirtschaftsleistung entspricht. Die Pleite von Anglo war der teuerste Bankenkollaps des Landes und hat wesentlich dazu beigetragen, dass Irland 2010 Hilfe von der Eurozone und dem Währungsfonds beantragen musste. Im Zentrum der Affäre steht mit Sean Quinn zudem ausgerechnet der einstmals reichste Mann Irlands.

Der Baumogul Quinn hatte 2007 durch Spekulationsgeschäfte nach und nach fast ein Drittel der Aktien von Anglo Irish erworben. Doch die Geschäfte waren mit massiven Verlusten für Quinn verbunden, weshalb er seine Anteile verkaufen wollte. Um zu verhindern, dass der Verkauf zu einem Preisverfall der Bankaktien führt, vergab die Anglo im Juli 2008 an zehn irische Geschäftsleute Kredite über je 45 Millionen Euro. Mit dem Geld sollten sie Quinn die Anglo-Aktien abnehmen. Zum gleichen Zweck erhielten Quinns Ehefrau und seine fünf Kinder ein Darlehen über ebenfalls mehrere hundert Millionen Euro. Mit den zehn Geschäftsleuten wurde zudem vereinbart, dass sie ihr Darlehen nicht mit Geld, sondern mit den Aktien selbst zurückzahlen können.

Rückzahlung mit Aktien

Angeklagt werden Fitzpatrick und die anderen Ex-Manager, die auf Kaution freigelassen wurden, wegen eines Verstoßes gegen das irische Handelsrecht. Bei einer Verurteilung drohen ihnen je Anklagepunkt bis zu fünf Jahre Haft. Die irischen Antikorruptionsbehörden ermitteln bis heute in mehreren anderen Fällen gegen frühere Anglo-Manager, darunter wegen Bilanzmanipulation.

Fitzpatrick hatte den Chefsessel bei Anglo 1986 übernommen. Er machte aus dem kleinen Bankhaus ein internationales Großinstitut. Vor allem nach der Einführung des Euro und dem danach folgenden Immobilienboom in Irland war Anglos Wachstum rasant: Der Börsenwert des Unternehmens stieg zwischen 2000 und 2007 um 2000 Prozent an.

Bezeichnend für die Geschäfte Anglos war ein besonderes Nahverhältnis zu auserwählten Kunden, wie zur Quinn-Familie und den zehn Geschäftsmännern. Anglo war nie eine Einlagenbank, sondern investierte fast ausschließlich in Gewerbeprojekte. Auf die 20 größten Kreditnehmer der Bank entfiel vor Ausbruch der Finanzkrise die Hälfte des Lohnportfolios.

Mögliche illegale Machenschaften waren allerdings nicht der Hauptgrund für die Anglo-Pleite. Das hielt ein im Auftrag der Regierung erstellter Bericht über die irische Bankenkrise, der Nyberg-Report, eindeutig fest. Der 2011 vorgelegte Bericht spricht von einem fatalen Klima in der irischen Bankenwelt, das von einem totalen Glauben an die freien Marktkräfte und einer völlig fehlgeleiteten Risikoeinschätzung geprägt war. So expandierte Anglo viel zu schnell und genehmigte nahezu alle Kreditgeschäfte. Die Finanzaufsicht tolerierte das tatenlos. Der Nyberg-Bericht hält fest, dass Anglos Geschäftspolitik lange von " Ratingagenturen, Investoren und Journalisten" bewundernd verfolgt und anderen Kreditinstituten nachgeahmt wurde.

Das Kreditgeschäft, weswegen Fitzpatrick nun angeklagt wird, brachte übrigens niemandem Glück: Die meisten Darlehen erhielt die Bank nicht wieder, weil die eigenen Aktien völlig wertlos geworden waren. Die Kreditportfolios wurden in die staatliche Bad Bank Nama ausgelagert. Der Baumogul Quinn verlor bei den Spekulationsgeschäften mit den Aktien ein Vermögen und musste Privatkonkurs anmelden. (András Szigetvari, DER STANDARD, 25.7.2012)