Stuart Staples live bei der Arbeit: Die Tindersticks aus Nottingham altern in Würde und in Melancholie.

Foto: Standard / Robert Newald

Feldkirch - Dass das Schwelgen im Weltschmerz kein Vorrecht (spät)pubertärer Jugend ist, beweist seit 1991 die englische Indie-Band Tindersticks. Schon deren Gründung basiert auf einer kleinen Katastrophe: Eine profane Pleite des vom Ex-Fall-Mitglied Marc Riley geführten Kleinlabels In-Tape Records animierte den Sänger Stuart Staples und seine Leidensgenossen zur Umbenennung (von Asphalt Ribbons in Tindersticks) und stilistischen Umorientierung (vom Funk zu moll lastigem Kammerpop) ihrer alten Combo.

Selten wurden Trauer und psychischer Schmerz schöner und "tiefer" in Töne transponiert als auf dem Debütalbum von 1993 und der zwei Jahre danach veröffentlichten zweiten Platte. Irgendwo zwischen Scott Walker, Lee Hazlewood und Nick Cave lassen sich die melancholischen Epen einordnen, die weinerliche Seite von Country wird ebenso zelebriert wie der düstere Romantizismus französischer Chansons.

Komplexe Kompositionen und opulente Instrumentierung gehören zu den Markenzeichen der Nottinghamer Stimmungsskeptiker, die sich bei ihren Auftritten gern als snobistische Oberschicht-Dandys inszenieren. Ein weiteres Charakteristikum ist das Vibrato des Bariton-Crooners Staples, der selbst Schmachtfetzen Soul einhaucht.

Nach Umbesetzungen, Labelwechsel und einer kleinen Schaffenspause veröffentlichte das Pop-Noir-Quintett heuer sein neuntes Studioalbum, The Something Rain. Bei allen altbekannten Trauerstimmungen beweisen die aktuellen Tindersticks viel Gefühl für Grooves. Immer näher kommen Staples & Co auch den späten Roxy Music oder 10cc, dazu versprechen Bar-Jazz, Lounge-Soul und Balladen mit Latin-Tupfern Linderung vom miserablen Leben zwischen Trauer und Sehnsucht. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 25.7.2012)