Bild nicht mehr verfügbar.

Sebastian Coe (55), zweifacher Olympionike über 1500 Meter.

Foto: AP/ Lefteris Pitarakis

Seine Medaillen gewann Sebastian Coe 1980 und 1984 auf den Mittelstrecken. Als Organisationschef der Olympischen Spiele 2012 hat er einen Marathon absolviert. Nun ist auch der Sprint der vergangenen Wochen, zu dem der 55-Jährige sein Team im Organisationskomitee Locog anzufeuern pflegte, fast zu Ende. Bei der Eröffnungsfeier am Freitag werden andere ins Rampenlicht drängen. Das hat Coe nicht nötig. Auf der Insel weiß jedes Kind, dass es ohne den Olympiasieger nichts zu feiern gäbe.

Schließlich war es der konservative Baron im Oberhaus, der 2004 in die Bresche sprang und die schlingernde Bewerbung ins Gleichgewicht brachte. Das vorhergehende Management hatte sich mit der Regierung des Labour-Mannes Tony Blair zerstritten, zudem fehlten die Verbindungen in die Welt der internationalen Sportverbände. Coe steuerte den Goldstaub und die Berühmtheit seines Namens bei, den Freunde der Leichtathletik bis heute mit einer gewissen Ehrfurcht aussprechen. In den acht Jahren seither hat Coe alle Klippen umschifft, das exponentiell wachsende Budget oder schlimme Sicherheitspannen. Er gibt sich noch immer gelassen: "Wir wussten, was am Ende auf uns zukommt."

Die große innere Ruhe führt Coe auf seinen Großvater mütterlicherseits zurück, der aus dem Punjab stammte. Seinen sportlichen Ehrgeiz hat der Vater geformt. Im Eigenstudium erwarb der gelernte Ingenieur Peter Coe Kenntnisse, die ihn nach Einschätzung des Sohnes zum "führenden Mittelstrecken-Coach seiner Generation" machten. Dass die etablierten Trainer Coes Ideen verlachten, ihn gar indirekt des Kindesmissbrauchs beschuldigten, konnte den Erfolg nicht aufhalten. Mit gezieltem Training flog Sebastian Coe von Sieg zu Sieg, obwohl er viel weniger Kilometer absolvierte als damals üblich.

"Mein Vater hat mir viele Verletzungen erspart, weil er wusste: Oft ist weniger mehr." Den Grundsatz, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, hat Coe seither mit immer neuem Erfolg angewandt. Erst kamen je eine Gold- (1500 m) und Silbermedaille (800 m) bei den Spielen in Moskau 1980 und Los Angeles 1984, dann eine Karriere in der Politik. Für die Konservativen saß Coe fünf Jahre im Unterhaus, agierte später als Büroleiter des heutigen Außenministers William Hague, zog 2000 ins Oberhaus ein. Der Job als OK-Chef beendete 2004 eine schwierige Lebensphase, in der sich Coe von der Mutter seiner vier Kinder trennte. Inzwischen ist er in zweiter Ehe mit einer Journalistin verheiratet.

Medienberatung braucht Coe aber nicht. Cool wehrt er kritische Fragen ab, weder das prophezeite Verkehrschaos noch die Klagen der Anrainer im Osten Londons können seiner Gelassenheit etwas anhaben. Die Spiele seien "eine einmalige Gelegenheit, Jobs und Wohnungen zu schaffen sowie erstklassige Sportstätten zu errichten". Auch das bisher noch mangelnde Entzücken der Londoner ficht Coe nicht an. Er kenne doch seine Landsleute: "Wenn es erst einmal losgeht und die ersten Medaillen vergeben werden, spätestens dann kommt auch die Begeisterung." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 25. Juli 2012)