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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner glaubt, dass Österreich auch für zahlreiche Asylwerber aus Syrien "gerüstet" sein müsse.

Foto: Hans Punz/dapd

STANDARD: Dem STANDARD zugespielte Aufnahmen aus einer Flüchtlingsunterkunft in Kärnten dokumentieren gesundheitsschädliche Zustände. Mangelt es an Kontrollen - oder vielleicht an einer zentralen Beschwerdestelle?

Johanna Mikl-Leitner: Die Grundversorgungsvereinbarung von Bund und Ländern besagt klar und deutlich, dass die Länder die Quartiere bereitzustellen haben. Ebenso sind sie für die Kontrollen zuständig. Ich gehe davon aus, dass diese auch stattfinden.

STANDARD: In den Ländern gibt es zu wenige Asylwerberunterkünften, daher schlagen Sie Flüchtlingsunterbringung in Kasernen vor. Sehen Sie keine andere Möglichkeit, auf die Länder Druck auszuüben?

Mikl-Leitner: Der Kasernenvorschlag hat vor allem mit dem Syrienkonflikt zu tun. Fakt ist, dass in der Region 120.000 Menschen auf der Flucht sind. Eine Million ist in Syrien in Bewegung.

STANDARD: Rechnen Sie deshalb mit einer merklichen Zunahme von Asylanträgen? In der "Kronen Zeitung" war ja schon von einem Flüchtlingsstrom die Rede.

Mikl-Leitner: Ich bin keine Prophetin. Niemand kann abschätzen, was in den nächsten Tagen und Wochen in Syrien passiert, aber wir müssen gerüstet sein. Immerhin stehen syrische Asylbewerber im Ranking auf Platz vier, mit steigender Tendenz.

STANDARD: Zur Unterbringung in Kasernen meinte Verteidigungsminister Norbert Darabos, das Innenministerium könne diese ja kaufen - während Bundeskanzler Werner Faymann jetzt die Prüfung verschiedener Objekte ankündigte. Was geschieht konkret?

Mikl-Leitner: Im Ministerrat haben wir uns verständigt, Möglichkeiten zur Unterbringung in Bundesgebäuden auszuloten, selbstverständlich auch in Kasernen. Ich glaube, Zynismus hilft uns in keinster Weise. Vielmehr geht es um menschliche Tragödien und völkerrechtiche Verantwortung.

STANDARD: Rein rechtlich hätte das Innenministerum die Möglichkeit, Bundesgebäude ohne Rückversicherung zu nutzen. Werden Sie das, so es zu keiner anderen Lösung kommt, tun?

Mikl-Leitner: Das eine schließt das andere nicht aus. Auch hier gibt es schon erste Vorabprüfungen.

STANDARD: Welche Objekte schaut sich das Innenministerium konkret vorab an? Auch Kasernen?

Mikl-Leitner: Ausgeschlossen sind diese nicht. Die Kasernenunterbringung von Flüchtlingen hat sich international bewährt, etwa in Deutschland, den Niederlanden, Slowenien, Ungarn - und in der Schweiz ist sie gerade in Prüfung.

STANDARD: Minister Darabos hingegen meint, Traumatisierte seien in einem militärischen Umfeld schlecht aufgehoben. Irrt er?

Mikl-Leitner: Ich sehe das anders. Das sind Menschen auf der Flucht, die froh sind, ein Dach über den Kopf, Essen und soziale Betreuung zu bekommen. Das geht auch in einer Kaserne.

STANDARD: Haben die Probleme mit der Flüchtlingsunterbringung nicht auch mit dem niedrigen Tagsatz von 17 - und bald 19 - Euro zu tun, die Beherberger erhalten?

Mikl-Leitner: Der Tagsatz von 17 Euro wurde 2004 bewusst überhöht festgelegt, um nicht gleich wieder steigern zu müssen. Das tun wir jetzt, entsprechend der Teuerung.

STANDARD: In Deutschland hat das Verfassungsgericht unlängst entschieden, dass Asylbewerber gleich viel Geld wie Hartz-IV-Empfänger als "menschenwürdiges Existenzminimum" bekommen müssen. Wie finden Sie das?

Mikl-Leitner: Das ist unnötig. Österreich liegt mit den Zahlungen im guten europäischen Mittelfeld. (Irene Brickner, DER STANDARD, 25.7.2012)