"Selber schuld, kein Mitleid!" Diesen Satz bekommt man im Zusammenhang mit dem Unfall von Apnoe-Taucher Herbert Nitsch immer wieder zu hören. Eine Mixtur aus Häme und Zynismus, die einen menschenverachtenden kausalen Zusammenhang zwischen Schuld und Mitgefühl herstellt. Im Grunde nur ein "Ätschi, bätschi, Butterkeksi" für Erwachsene. Dabei können gerade Sportler auf Mitleid sehr gut verzichten. Haben Sie einen Matthias Lanzinger, einen Alex Zanardi, einen Hans Grugger jemals jammern hören? Sie werden auch einen Nitsch nicht klagen hören. Bestimmt nicht. Wir sprechen von Kämpfernaturen, die sich einer neuen Situation sofort anpassen und das Beste aus ihrem Schicksal machen. Genau mit dieser Einstellung können Sportler inspirieren, mehr als mit ihren für manche Beobachter sinnlos anmutenden Höchstleistungen. 

Warum macht der das bloß, warum setzt er sich nur einer solchen Gefahr aus? So lautet eine der meistgestellten Fragen. Die Antwort könnte einfacher nicht sein: Er sucht die Herausforderung. Er macht es aus Liebe und Leidenschaft. Und natürlich auch aus Eitelkeit, um Rekorde zu brechen. In diesem Fall seinen eigenen. Denn eines sollte man in der Diskussion um Sinn, Unsinn und Irrsinn nicht vergessen: Herbert Nitsch ist der beste Apnoe-Taucher der Welt. In unserer Bürowelt ist er vielleicht ein Draufgänger, in der Welt des Extremsports aber ein durchaus vernünftiger Mensch. Einer, der sich zwar oft in Gefahr begab, aber niemals ohne Kalkül und akribische Vorbereitung. 

Nun kann aber auch der beste Plan das Restrisiko nicht ausschließen. Motorsport oder Abfahrtslauf, Bergsteigen oder No-Limit-Tauchen, alles Sportarten auf einem schmalen Grat. Auch das macht den Reiz dieser Abenteuer aus. Leben am Limit. Hans Grugger hätte in Kitzbühel sterben und Gerfried Göschl am Hidden Peak überleben können. Feinheiten haben anders über ihre beiden Schicksale entschieden. "Wenn etwas schiefgeht, werde ich mit dem Leben bezahlen", sagt Felix Baumgartner ganz nüchtern über das Stratos-Projekt. Er sagt es stellvertretend für viele Pioniere und Extremsportler. Das Risiko kennen sie selbst am besten. Sie nehmen es bewusst in Kauf, um Außergewöhnliches zu leisten. Und sind gegebenenfalls bereit, die Konsequenzen zu tragen. Sie klammern sich nicht an ihr Leben. Klammern wir sie nicht an gängige Maßstäbe. (Philip Bauer, derStandard.at, 24.7.2012)