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Alle Augen richten sich wieder einmal auf Griechenland. Die Sparfortschritte werden geprüft.

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Steindl: "Dann wird abgerechnet, was hat die Regierung von ihren Versprechungen nun wirklich umgesetzt."

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In Griechenland ist noch nicht aller Tage Abend. Die Regierung hat nach Einschätzung von Gottfried Steindl noch eine Galgenfrist von drei Monaten. Wenn dann keine Fortschritte zu verzeichnen seien, so der Raiffeisen-Analyst im Gespräch mit derStandard.at, dann könnte der Geldfluss tatsächlich versiegen. Ein Problem hätten dann die Staaten und die Notenbanken. Die Märkte hätten sich dagegen in so einem Fall mit Italien und Spanien zu beschäftigen.

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derStandard.at: Diesmal hat Moody's den Musterschülern der Eurozone - Deutschland, Luxemburg, Niederlande - einen Schuss vor den Bug verpasst. Gerechtfertigt?

Gottfried Steindl: Interessanterweise hat die Ratingagentur den Ausblick nicht für Finnland gesenkt. Die Begründung ist, dass sich das Bankensystem in Finnland stärker auf das Inland konzentriert und somit hier geringere Risiken gesehen werden. Das ist meines Erachtens eine sehr schwache Argumentation, wenn in Summe argumentiert wird, dass die Belastungen aus Rettungspaketen in Zukunft sich eventuell erhöhen können.

derStandard.at: Steht die Moody's-Argumentation auf tönernen Füßen?

Steindl: Was Moody's meint, ist, dass aus den aktuellen Verspannungen wiederum Belastungen auf Banken zukommen können. Wenn Kurse von spanischen Staatsanleihen unter Druck sind und beispielsweise französische oder niederländische oder deutsche Banken auch spanische Staatsanleihen in ihren Büchern haben, dann muss man Vorsorgen für einen möglichen Wertpapierberichtigungsbedarf treffen. Das könnte finnische Banken weniger treffen. Das ist meines Erachtens allerdings eine Milchmädchenrechnung.

derStandard.at: In Deutschland geht es derzeit politisch ziemlich rund angesichts der Fragen, wieweit man in Sachen Euro-Rettung gehen soll. Wird die Warnung von Moody's den Druck auf die deutsche Politik weiter erhöhen?

Steindl: Die deutsche Politik ist schon massiv unter Druck. Immerhin gilt es immer größere Volumina aufzubringen und die Bevölkerung scheint ja immer weniger bereit zu sein, hier mit ihrem Steuerpotenzial dafür einzustehen oder tatsächlich Gelder in die Hand zu nehmen, wie es in Griechenland mit direkten Krediten passiert ist. Das durchzusetzen ist für die Politik wirklich eine große Herausforderung. Nichtsdestotrotz muss man sich dieser Herausforderung stellen und erklären, warum es für alle Beteiligten auch Sinn machen kann, dem einen oder anderen - natürlich gegen Auflagen - zu helfen.

derStandard.at: Womit wir zum Sorgenkind Griechenland kommen. Die Troika will jetzt die Sparfortschritte prüfen. Die scheinen nun ja nicht so richtig in Schwung zu kommen. Was ist seitens der Geldgeber zu erwarten?

Steindl: In Griechenland - und übrigens nicht nur dort - macht es Sinn, große Reformen zu Beginn einer Regierungsperiode durchzuführen. Nun haben die griechischen Parteien in ihrem Wahlkampf das eine oder andere versprochen. Vermutlich werden sie einen gewissen Teil dieser Versprechen gar nicht halten können. Hier geht es nicht nur um Gelder sondern auch um Strukturreformen, darum Gesetze zu ändern, um den Arbeitsmarkt flexibler zu machen, Schutzregelungen für gewisse Berufe aufzuheben. Das sind Maßnahmen, die auf dem Papier nichts kosten. Aber auch da ist Griechenland sehr stark säumig.

derStandard.at: Das heißt wieder einmal die griechische Politik muss die eigene Bevölkerung überzeugen?

Steindl: Sie wird ihr verkaufen müssen, warum sie gewisse Versprechen nicht erfüllen kann und viele Reformen, die man vorher vielleicht nicht so verkündet hat, jetzt durchführen muss. Als Sündenbock werden hier wohl externe wie IWF oder EZB oder EU-Kommission herhalten müssen. Dieses Mal wird die griechische Politik einknicken, während zu den Wahlkampfzeiten eher die Europäer mehr Geduld hatten. Da ist viel Verhandlungstaktik dabei. Die griechische Politik wird wohl sehr viel zustimmen, was verlangt wird. Die Frage ist: Wird das auch umgesetzt?

derStandard.at: Vor dieser Frage ist Europa ja schon ein paar Mal gestanden.

Steindl: Für die europäische Seite ist es sehr schwierig, einer neuen Regierung nicht zumindest die Chance zu geben, im Reformprojekt aktiv zu werden. Alle haben gewusst, dass während des Wahlkampfs in Griechenland nichts weiter geht. In dem Troika-Bericht werden wir das auch sehen. Die griechische Regierung wird versprechen, hier Tempo aufzunehmen. Dann wird es vermutlich die nächste Tranche geben - für weitere drei Monate. Dann wird es brisant. Dann wird abgerechnet, was hat die Regierung von ihren Versprechungen nun wirklich umgesetzt.

derStandard.at: Und was, wenn sich nichts ändert?

Steindl: Es besteht zumindest eine hohe Gefahr, dass auch die neue Regierung wieder säumig bleiben wird. Dann könnten die Kredite von außen versiegen.

derStandard.at: Die Märkte haben eine Griechenland-Pleite ohnedies schon lange eingepreist, oder nicht?

Steindl: Inzwischen hat man über die Jahre die Ausdifferenzierung vorangetrieben. Die Mehrheit der Marktteilnehmer wird wohl Unterschiede zwischen Griechenland, Italien, Spanien, Irland und Portugal erkennen können. Vor allem der Privatsektor hat kaum noch erheblich Geld im Feuer. Diese Wertberichtigungen wurden über die Zeit tatsächlich vorgenommen.

derStandard.at: Treffen würde es den öffentlichen Sektor?

Steindl: Es ist leider so, dass der öffentliche Bereich sehr viel Geld in Griechenland ausstehend hat. Da wurden ja Gelder entweder über die Notenbank oder durch Kredite verborgt. Die Hauptleidtragenden wären in diesem Fall die Notenbank und die Staaten. Für die Märkte wäre also nicht mehr Griechenland das Problem sondern - so wie ja jetzt auch schon - Italien und Spanien. (Regina Bruckner, derStandard.at, 24.7.2012)