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Traurer in Aurora, Colorado: Die Frage nach dem Warum führt zu absurden Diskussionen rund um Social Networks.

Foto: Reuters

Der "Tagesspiegel" wirft in einem Artikel die Frage auf, inwieweit sich Personen verdächtig machen, die keine Profile in Social Networks vorzuweisen haben. Die Diskussion wird vor allem im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen in Aurora im US-Bundesstaat Colorado geführt. Am Freitag erschoss dort der 24-jährige James H. bei der Mitternachtspremiere des dritten Teils der Batman-Trilogie, "The Dark Knight Rises", zwölf Menschen und verletzte Dutzende. Einen Facebook-Account oder ein Twitter-Profil suchte man nach dem Massaker vergebens.

Vergleiche mit Breiviks Online-Abstinenz

Bereits 2011 gab es einen satirischen Artikel bei fischfresse.de, der auf sarkastische Weise postulierte, dass Arbeitgeber beim Googeln nach Bewerbern Leute für "psychisch krank" oder eher "kriminell" befinden, wenn sie von diesen nicht mindestens ein "Sauffoto" finden würden. Dem "Tagesspiegel" erscheint es merkwürdig, dass ein junger Mann, in diesem Fall der Verdächtige James H., weder auf Facebook noch in anderen populären Netzwerken aktiv war.

Dem Artikel zufolge haben auch Arbeitgeber die Befürchtung, dass Bewerber etwas zu verbergen haben, wenn sie online nicht aktiv sind. Auch eine Sucht nach diesen Netzwerken könne aber einem Wissenschaftler zufolge negative Folgen haben, nämlich "psychische Grundstörungen und Ängste". Verglichen wird H. weiters mit Anders Behring Breivik, jenem Norweger, der 2011 zum Massenmörder wurde und sich außer ein paar Postings in wenigen Foren online niemals bemerkbar machte.

Adult Friend Finder: Das andere soziale Netzwerk

Was der "Tagesspiegel" jedoch übersieht: James H. war sehr wohl aktiv in sozialen Netzwerken, allerdings waren dies Netzwerke anderer Natur und längst nicht so populär wie Facebook oder Twitter. So weiß man über ein Profil bei der Plattform Adult Friend Finder und einer weiteren Dating-Plattform. Über diese Plattform war er auch in Kontakt mit Frauen und wollte sich mit einigen sogar verabreden. Mittlerweile haben beide Plattformen seine Profile gelöscht. Ob jemand von den vielen Waffen- und Munitionskäufen, die James H. in den letzten Monaten tätigte, etwas bemerkt hätte, wenn ein Facebook-Profil vorhanden gewesen wäre, ist allerdings nicht klar.

Gefährliches Stalking

Wie gefährlich das Stalken in sozialen Netzwerken nach solchen Profilen ist, zeigt das Beispiel James H. allerdings auch: Der Name kommt in den USA öfters vor, und so wurden verschiedene Gleichnamige über Facebook mehrmals belästigt und mussten schließlich auf ihren Profilen Statements abgeben, dass sie mit der Tat nichts zu tun hätten. Die Lebensgefährtin eines "James H." musste bei einem Bewerbungsgespräch sogar versichern, dass sie nicht mit "dem" James H. liiert sei.

Newsquelle Reddit

Dass man auch gut versteckte Profile relativ einfach aufspüren kann, hat Reddit am Wochenende bewiesen: In einem 13-teiligen Posting auf Reddit haben User sämtliche Informationen, die es über den Verdächtigen gibt, zusammengetragen. Neben Informationen zum Fall war Reddit die erste Anlaufstelle, wenn es um die Online-Profile und den Xbox-Live-Account des Verdächtigen ging. Auch als die Polizei eine Drohung bekam, H. freizulassen, und im Anschluss diese Person ausfindig machte, waren es Reddit-User, die zuerst darüber berichteten. Mittels Googles Street View haben Reddit-User die Recherche sogar so weit getrieben, das Haus von James H.s Eltern zu suchen, um dort dann den Wagen, der bei der Tat verwendet wurde, zu finden und auf Reddit zu posten. Viele Medien haben die Informationen aus dem Netzwerk für ihre Recherchen verwendet. (iw, derStandard.at, 24.7.2012)