Beirut - Die syrische Führung hat nach Angaben der Rebellen Chemiewaffen an grenznahe Flughäfen des Landes verlegt. Die oppositionelle Freie Syrische Armee (FSA) teilte am Dienstag mit, sie habe "genaue" Kenntnisse über die Standorte der Waffen und Anlagen zu ihrer Herstellung und könne bestätigen, dass entsprechende Verlagerungen stattgefunden hätten. Den Angaben zufolge wurden erste Chemiewaffen bereits vor mehreren Monaten verlegt. Um welche Flughäfen oder welche Grenze es sich handeln soll, teilte die FSA nicht mit.

Die Führung von Präsident Bashar al-Assad hatte am Montag gedroht, ihre Chemiewaffen im Fall eines Angriffs aus dem Ausland einzusetzen, nicht jedoch gegen die syrische Bevölkerung. Sowohl die Europäische Union als auch die USA warnten vor jeglichem Einsatz der Waffen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon nannte es "verwerflich", einen Einsatz überhaupt in Betracht zu ziehen.

Öffentlich zugängliche Informationen über das syrische Chemiewaffenarsenal existieren praktisch nicht. Nach Einschätzung von US-Experten verfügt das Land aber unter anderem über Senfgas, Saringas und das tödliche Nervengas VX. In dem seit Mitte März 2012 andauernden Aufstand gegen Assad wurden laut Opposition bereits mehr als 19.000 Menschen getötet.

Syrien geht "verantwortlich mit Chemiewaffen um"

Die syrische Regierung versucht nach israelischer Einschätzung zu verhindern, dass ihre Chemiewaffen in die Hände von Extremisten fallen. Trotz des Drucks auf sein Regime gehe Präsident Bashar al-Assad "verantwortlich mit Chemiewaffen um", sagte ein Informant aus Regierungskreisen der israelischen Zeitung "Haaretz". Assad habe einen Teil der Chemiewaffenarsenale zu Stützpunkten gebracht, die fernab der Kampfzonen größere Sicherheit böten.

Die israelische Regierung wollte den Bericht offiziell nicht bestätigen. Regierungssprecher Mark Regev sagte der Deutschen Presse-Agentur lediglich: "Wir sind besorgt, dass gefährliche Waffen in Syrien wie Chemiewaffen in die Hände von Extremisten gelangen könnten."

Die EU-Außenpolitikbeauftragte Catherine Ashton sieht keine unmittelbare Gefahr eines Einsatzes von Chemiewaffen in Syrien. Nach den ihr vorliegenden Informationen gebe es keinen Grund für "eine unmittelbare Sorge über die Möglichkeit, dass sie herausgeholt oder bewegt werden", sagte Ashton am Montagabend in Brüssel nach einem Treffen der EU-Außenminister.

SNC doch nicht zu Übergangsphase unter Assad-Vertrautem bereit

Der oppositionelle "Syrische Nationalrat" (SNC) will entgegen einer früheren Äußerung eines Sprechers der Bildung einer Übergangsregierung unter Führung eines bisherigen Vertrauten von Präsident Bashar al-Assad nicht zustimmen. "Es bestand nie die Frage einer Regierung der nationalen Einheit unter Führung eines Mitglieds des Regimes", sagte die SNC-Sprecherin Bassma Kodmani am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Paris. Eine Übergangsregierung müsse von der Opposition geführt werden.

Kodmani widersprach damit der Äußerung eines anderen SNC-Sprechers, Georges Sabra, der einige Stunden zuvor erklärt hatte, der SNC wäre bereit, eine Übergabe der Macht an ein Mitglied der derzeitigen Führung zu akzeptieren. "Wir sind mit einem Rückzug Assads und der Übertragung seiner Aufgaben an eine der Persönlichkeiten des Regimes einverstanden", hatte Sabra gesagt und als mögliches Vorbild den Jemen genannt. Im Jemen hatte Präsident Ali Abdallah Saleh seinen Posten im Februar nach monatelangen Massenprotesten und Kampfhandlungen seinem Stellvertreter Abed Rabbo Mansour Hadi überlassen. Trotz Forderungen, ins Exil zu gehen, blieb Saleh allerdings im Land.

Festnahme nach Anschlag von Damaskus

Die syrischen Behörden haben laut einem iranischen Medienbericht den Verantwortlichen für den Bombenanschlag auf die Militärführung Syriens festgenommen. Der Verdächtige sei in der Zentrale des Obersten Nationalen Sicherheitsrats beschäftigt gewesen, zitierte die staatliche iranische Nachrichtenagentur Fars den syrischen Parlamentsabgeordneten Mohammed Zahir Ghanoum am Dienstag. Bei dem Anschlag am Mittwoch vergangener Woche war unter anderen der Verteidigungsminister und der Schwager von Präsident Bashar al-Assad, Asef Shawkat, getötet worden.

Der Festgenommene sei von Syriens Feinden angeheuert worden, sagte Ghanoum. Die Regierung werde es jedoch nicht zulassen, dass die USA, die Türkei, Israel oder Katar die Sicherheit des Landes gefährdeten.

Aus Sicherheitskreisen hatte die Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche erfahren, dass es sich bei dem Täter um einen Leibwächter der politischen Führung gehandelt habe. Das Staatsfernsehen hatte von einem Selbstmordattentat gesprochen.

Gefängnisrevolte in Aleppo

Im Zentralgefängnis der nordsyrischen Metropole Aleppo ist unterdessen eine Häftlingsrevolte ausgebrochen, bei der gewaltsamen Unterdrückung wurden acht Häftlinge getötet. Wie der SNC mitteilte, setzten die Sicherheitskräfte in der Nacht auf Dienstag scharfe Munition und Tränengas gegen einen "friedlichen Sitzstreik" der Insassen des zentralen Gefängnisses von Aleppo ein. Dort habe es zudem einen Brand gegeben. Das Gefängnis sei aber aus der Luft von Helikoptern beschossen worden, so dass den Häftlingen nicht habe geholfen werden können.

Die Gefangenen wollten nach Angaben des SNC mit dem Sitzstreik gegen die schlechte Behandlung in dem Gefängnis protestieren. Vor drei Tagen hatte es bereits eine Meuterei im Gefängnis von Homs gegeben, die ebenfalls gewaltsam unterdrückt wurde. In beiden Haftanstalten sollen nach Darstellung der Opposition seit Beginn der Revolte gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad "Massaker" stattgefunden haben. 

In die Menge geschossen

Syrische Regierungstruppen haben nach Angaben von Aktivisten in der nordwestlichen Stadt Hama in eine Menge von Gläubigen geschossen. Diese wollten am Dienstagabend zum Ramadan-Gebet eine Moschee betreten, hieß es. Dabei seien 25 Menschen getötet und mindestens zehn weitere verletzt worden, sagte ein syrischer Aktivist aus dem Norden Libanons der Nachrichtenagentur dpa.(APA, 24.7.2012)