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Spaß am nur mit Mühe abgewehrten Untergang: Die Ästhetik von "The Dark Knight Rises", dem Abschluss von Christopher Nolans Filmtrilogie, gerät nach dem Massaker von Aurora in die Kritik.

Foto: Reuters/FRED PROUSER

Die Atmosphäre von Düsternis und Bedrohung ist eine ästhetische Auszeichnung der "Batman"-Filme. Es wäre verfehlt, die Ästhetisierung dieser Atmosphären an sich schon zu kritisieren oder gar für eine Wahnsinnstat wie diejenige von Aurora kausal mitverantwortlich zu machen. Der Kunst ihre Freiheit - und der Kunstkritik ebenso: Diesem Credo zufolge muss es erlaubt sein, bestimmte Formen der Ästhetisierung zu problematisieren. Es gibt gute Gründe dafür, das "re-imagining" der "Batman"-Reihe durch Christopher Nolan als bedenklich zu bezeichnen.

Zugleich muss diese Problematisierung auch das Hollywood-Studiosystem mitbetreffen (das mit der Finanzierung dieser Ästhetiken immense Gewinne einfährt) - und auch die kulturelle Gesamtstimmung, die in den USA seit den Nullerjahren herrscht. Und da lässt sich eine enorme Verschärfung des Tons feststellen: Die Bedrohungsszenarien werden immer globaler und die Schmerz-, Opfer- und auch Folterbereitschaft immer größer.

Zunehmende Verdüsterung

Die Verdüsterung zeigt sich im Vergleich mit Tim Burtons "Batman"-Version in aller Deutlichkeit. Während Burton seinen Bösewichten ironisch-erotische Noten entlockt hat (man denke an Nicholsons Joker oder an Pfeiffers Catwoman), bewegen sich die Brüder Nolan in einem ästhetischen Raum, aus dem Ironie und Erotik praktisch völlig verbannt sind. Übrig bleibt ein purifiziertes Pathos, das die Zuschauer kaum noch für eine Sekunde loslässt.

Die Erzeugung von Spannung erfolgt bloß über negative Affekte: zur Lebensform geronnene Angst, Verzweiflung angesichts endzeitlicher Bedrohungen, Frustration, weil ein Ausgleich durch positive Affekte (Liebe, Freundschaft, Freude) nicht möglich ist. Und dieser Spannung steht keine Auflockerung gegenüber: Nolan zieht die Zügel immer weiter an und schlägt seine Sporen nur zu gern in die Flanken seines Publikums, das offenbar bereitwillig mitgaloppiert bis zum atemlosen und in totaler Erschöpfung endenden Finale.

Ironischerweise lässt aber eine Ästhetisierung, die bloß über ein einziges Mittel verfügt - Pathos, Pathos und noch einmal Pathos - die intendierte Spannung bald mal in ihr Gegenteil umschlagen, nämlich Ödnis. Dabei müsste man bloß die von Heath Ledgers Joker gestellte Frage zurückspielen: Why so serious? Warum hat man den Joker seinen Humor verlieren lassen? Gibt es in der Hollywood-Version des Comic-Helden buchstäblich nichts Komisches mehr, sondern nur noch eine endlose Tragödie ohne Katharsis?

Der Philosoph Brian Massumi hat in den 90er-Jahren einen Band herausgegeben, in dem es um die "Technologien der Angst" in der amerikanischen Alltagskultur geht. Seit 9/11 hat sich die reale wie die gefühlte Bedrohung noch einmal verschärft - was die Bush-Regierung schamlos ausgebeutet hat. Die Künste haben seitdem jede Menge Quellenmaterial für die Kritik an der Instrumentalisierung von Gefühlen gefunden und wie schon Massumi die Frage gestellt: How does one resist?

Kann man nun dieser Verschärfung der Angstfaktoren begegnen, indem man sie ästhetisch noch überbietet? Und muss man sich als MedienkonsumentIn dazu verleiten lassen, diese Ästhetisierung der Alltagsangst auch noch zu genießen? Nicht nur, dass die politische Steuerungskunst durch die ästhetischen Emotionstechniken laufend verfeinert wird, sodass das Kino, wie Siegfried Kracauer bereits in den 30er-Jahren festgestellt hat, als (unfreiwilliges) Experimentierlabor für Propagandamethoden dient.

Darüber hinaus müssen wir MedienkonsumentInnen uns fragen, wie sehr wir jene Deutungskategorien, die wir im Gebrauch der Medien erlernen, auch auf nichtmediale Alltagssituationen übertragen - insbesondere wenn man uns eine Weltsicht vermittelt, in der ironische Distanz, Humor oder eine Gelassenheit gegenüber dem Lauf der Dinge keinen Platz mehr haben. MedienphilosophInnen sind sich darüber einig, dass die Art und Weise, wie Medien formatiert sind - d. h. wie sie Inhalte vermitteln - auch die MediennutzerInnen "formatieren", also ihre Wahrnehmungs- und Deutungsmuster beeinflussen.

Völlig humorfrei

Nolan und Co haben in ihrer Ästhetik völlig mit jener Ironie gebrochen, die nicht nur frühere "Batman"-Filme, sondern auch die "James Bond"-Reihe und vieles mehr ausgezeichnet hat. Selbst in düsteren Szenarien wie in den "Die Hard"-Filmen hat zumindest der Held zwischenzeitlich für Entspannung gesorgt und durch seinen Humor gezeigt, dass man die Dinge besser erträgt, wenn man sie nicht immer ganz ernst nimmt.

Seit Sokrates ist die Ironie eine der wichtigsten Techniken zur Entschärfung und Bekämpfung von Pathos; viele Philosophen der Aufklärung haben sie geschätzt, um mit ihr gegen religiösen Fanatismus anzugehen. Heute dagegen ist in der Politik und in Komplizenschaft zu ihr auch im Kino und TV eine apokalyptische Verbissenheit zur Normalität geworden, die psychopolitisch bedenklich ist.

Denn Verbissenheit und Verbitterung sind der Nährboden für Wahnsinnstaten wie jene von Aurora, die nicht zufällig das Kino als passenden Hintergrund für ihr eigenes, mörderisches Spektakel wählen. Natürlich liegt die Verantwortung für das Massaker allein aufseiten des Täters. Der Aufkündigung des Ironievertrags durch die zeitgenössische Erzählkunst sollte dennoch nicht unwidersprochen begegnet werden. Mehr noch: Man sollte wie Sokrates in Athen zeigen, dass gerade die erfolgreichsten Handwerker nicht wirklich wissen, was sie tun. Heute sind offenbar Christopher Nolan und Co diejenigen, die nicht so recht wissen, was sie tun, wenn sie dem reinen Pathos die Bühne überlassen. (Bernd Bösel, DER STANDARD, 24.7.2012)