Nicht vom Mars herab, sondern aus der Vergangenheit herüber tanzt hier ein ergrünter François Chaignaud an - ganz frei.

Foto: Laurent Paillier

Und der Amerikaner Trajal Harrell begibt sich erneut, diesmal für eine griechische Heldin, auf den Laufsteg.

Der Garten des Schloss Belvedere mit seinen symmetrisch getrimmten Büschen, Wasserspielen und steinernen Göttern ist Schauplatz des ersten Streichs von François Chaignaud.

Gemeinsam mit Marie-Caroline Hominal wird er seine Hüften kreisen lassen, um einen Hula-Hoop-Reifen in Bewegung zu halten. Als Duchesses - Herzoginnen - vermitteln sie zwischen Vergangenheit und Zukunft und stilisieren zur Musik von Granular Synthesis und einer unwirklichen Beleuchtung ihre nackten Körper zu bewegten Skulpturen.

Aus den beiden danceWeb-Stipendiaten des Jahres 2008, Chaignaud und Bengolea, sind inzwischen zwei fixe Größen des internationalen Performancezirkus geworden, nicht zuletzt durch ihre schwindelerregende Trapezshow Castor und Pollux und ihre allgemein erregende Performance Paquerette.

Diesmal haben sie sich gemeinsam die Danses Libres vorgenommen. Gemeint ist damit das tänzerische Bewegungssystem des François Malkovsky, entwickelt in der Zwischenkriegszeit und inspiriert von Isadora Duncan, natürlichen Bewegungen und antiken Körperformen.

Getanzt wird zwar zu klassischer Klaviermusik, doch gemeinsam mit Thiago Granato und verfremdet durch eine sehr heutige Körperpräsentation verleihen Chaignaud/Bengolea dem Ganzen eine zeitgenössische Note.

Im Vorjahr choreografierten und performten sie für Trajal Harrell in (M)imosa. Die antike Heldin Antigone, die ihr Leben riskierte, um ihren Bruder zu begraben, hat sich Harrell jetzt für die sogenannte "Large Version" (L) seiner Twenty Looks - Paris is Burning at the Judson Church als Patin ausgesucht. Im Vorjahr waren bei Impulstanz bereits (XS), (S) und (M) zu sehen. Von Antigone gibt es wiederum Jr. und Sr.

Die Idee hinter dieser Performanceserie ist ein fiktiver kultureller Zusammenprall zwischen den reduziert kühlen Anfängen des postmodernen Judson Dance Theater und dem, was sich zeitgleich in Harlem in der exaltierten Voguing-Szene abspielte, beides damals im New York der frühen 1960er-Jahre.

Aber jetzt wird auch noch die antike Historie auf den Laufsteg geschickt, denn das Stolzieren auf einem ebensolchen ist Harrells wichtigstes Stilmittel, daneben wird noch posiert, verkleidet und ganz viel - wie zufällig - gescheit palavert. Die New Yorker von heute lieben es. (Bettina Hagen, Sonderthema/Beilage, DER STANDARD, 24.7.2012)