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In der Kronen Zeitung kommen Flüchtlingsthemen anders als in einem Bedrohungsszenario nicht vor.

Foto: Hans Punz/dapd

In Österreich ist das Thema Flüchtlinge und "Asylanten" ein Aufreger. Besser gesagt, es wird zum Aufreger gemacht. Wie das von statten geht, zeigte dieser Tage wieder einmal das meistgekaufte - und daher einflussreiche - Medium des Landes vor, die Kronen Zeitung. Am Freitag prangte auf deren Seite eins ein Titel, der geeignet war, sämtliche Anti-Asylwerber-Instinkte der LeserInnen zu mobilisieren, von der Drohung mit Horden fremder Schutzsuchender zur Angst, von diesen hochwassergleich überflutet zu werden.

Nur, dass der Aufmacher überhaupt nichts mit der im Blatt befindlichen Geschichte zu tun hatte, auf den er sich bezog. 

"Innenministerin schlägt Alarm: Jetzt droht neuer Flüchtlingsstrom" lautete der Titel. Der dazugehörige Artikel auf Seite vier schien in Überschrift und Vorspann noch zu halten, was angekündigt wurde: Dass aufgrund des um sich greifenden Bürgerkriegs in Syrien derzeit Abertausende den bewaffneten Auseinandersetzungen in Nachbarstaaten zu entkommen versuchen und dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner es für möglich halte, dass manche dieser Vertriebenen es bis nach Europa - und hier bis nach Österreich - schaffen.

Am Thema vorbei getitelt

Doch dann kam - im Lauftext - die Ministerin auf das zu sprechen, was sie Krone-Redakteur Peter Gnam "im Interview" wirklich zu sagen hatte. Nämlich Kritisches zu einem österreichinternen Problem: Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen herrscht seit Monaten Überbelag - im Vergleich mit der dort vereinbarten Höchstzahl von 480 untergebrachten Asylwerbern. 

Stattdessen, so Mikl-Leitner, lebten im Traiskirchner Lager derzeit 800 bis 1000 Menschen. Und zwar nicht, weil akut besonders starker Flüchtlingsandrang existiere. Sondern weil die Bundesländer, die sich im Rahmen der Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung im Jahr 2004 vertraglich verpflichtet haben, Quartiere für AsylwerberInnen zur Verfügung zu stellen, schwer säumig sind. Alle, außer Wien und Niederösterreich. In den Tagen darauf zeigten sich sieben Länderverantwortliche schuldbewusst. Sie versprachen Abhilfe - wieder einmal. 

Warum nun, kann man sich fragen, entschlossen sich die Kronen-Zeitung-Macher angesichts einer solchen ärgerlichen, aber wenig saftigen Thematik zum Anti-Flüchtlings-Angstmachertitel? Vielleicht aus Verkaufsgründen - und, weil man es jetzt schon seit Jahrzehnten so tut: In der Kronen Zeitung kommen Flüchtlingsthemen anders als in einem Bedrohungsszenario nicht vor.

Image im Keller

Doch damit tut dieses Medium nichts anderes als die meisten österreichischen PolitikerInnen, wenn sie sich zu Asylthemen äußern. Von "Ankerkindern" (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, denen pauschal unterstellt wird, vorausgeschickt worden zu sein, um die Familie nachzuholen) über "Taschengeldmissbrauch" (Asylwerber, die ihre 40 Euro Taschengeld pro Person und Monat nach Hause überweisen statt sie auszugeben, womit offenbar transportiert werden soll, dass sie über andere Geldquellen verfügen müssen) zu einem ganz allgemein diagnostizierten "Asylmissbrauch" wird von InnenministerInnen und anderen VerantwortungsträgerInnen seit Jahren nichts ausgelassen, um das Image von Flüchtlingen im Keller zu halten.

Und wenn eine Innenministerin einmal auf ein Unterbringungsproblem hinweist, so schreibt die meistverkaufte Zeitung des Landes von Flüchtlings-"Fluten". Das ist schlicht Realitätsverweigerung.
Kein Wunder, dass es in Deutschland und nicht in Österreich war, wo das Verfassungsgericht vor wenigen Tagen feststellte, dass auch Asylbewerber das Recht auf "ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben" haben - und daher monatlich statt bisher knapp 40 nun 130 Euro Taschengeld bekommen müssen. Und, dass die Versorgungssätze überhaupt erhöht werden müssen, auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Triste Wahrheiten

Dieses nämlich wird ihnen auch in Österreich keineswegs gewährt. 17 Euro Tagsatz pro Person für den/die UnterbringerIn, mit denen diese/r Miet-, Energie- und Essenskosten decken muss - die jetzt auf 19 Euro aufgestockt werden sollen - reichen nicht. Die Gasthofzimmer und Heime, in denen Asylwerber in Österreich leben müssen, sind vielerorts desolat und zu dicht belegt, die Verpflegung oft mangelhaft, vor allem für Kinder, die noch wachsen und für schwangere Frauen. 

Und die gewährten 40 Euro Taschengeld pro Monat sind nicht einmal genug, um sich - sagen wir - in Wien, wo die meisten AsylswerberInnen leben, eine Monatskarte für die Öffis zu kaufen. Daher werden AsylwerberInnen in der Bundeshauptstadt besonders häufig beim Schwarzfahren erwischt. Doch wer weiß, vielleicht schaffen es findige Aufmacherschreiber sogar, von diesem produzierten Problem ausgehend Schutzsuchenden gezielten Gesetzesbruch vorzuwerfen und ein weiteres Flüchtlings-Bedrohungsszenario zu konstruieren. (Irene Brickner, derStandard.at, 21.7.2012)