"Rotwein oder Rivella?" wird man als Gast von Heinz Sichrovsky gefragt. Ich biete dagegen: "Hundeshampoo oder Seife?". Eine Qual der Wahl, vor allem, wenn man weiß, dass man anschließend bei einer Sendung aufscheint, die erlesen heißt. Wie das kam? In Form einer klassischen Coming-of-Age-Geschichte.

Als Jugendliche verfügte ich über einen sogenannten unruhigen Lebenslauf. Pflegte im Sommer von Verwandtschaft zu Verwandtschaft zu vagabundieren. Per Interrail und per Anhalter. Zur großen Freude vor allem jener Verwandten, die ich mit meinem Haustier aufsuchte: erst eine Ratte (nicht jedermanns Geschmack). Später mit einem zahmen Frettchen (noch weniger jedermanns Geschmack aufgrund intensiven Geruchs). Das Frettchen verbiss sich in Paris im Arm der Hausherrin, weil es sie besonders attraktiv fand, markierte in Rom den Wohnungsinhaber samt Samtcouch und versteckte in Ingolstadt alte Schinkenpizzareste, die ihm meine begeisterten Cousins in den Rachen stopften, hinter dem Kachelofen, was erst Monate nach meiner Abreise auffiel. Die Pizza hatte begonnen, das Frettchen aromatechnisch zu übertrumpfen. Abgesehen von Duftimpressionen verursachte ich mit meinen Haaren blau und grün eingefärbte Bettwäsche und Stoßgebete der Gastgeber, vor allem jener mit Kindern. Irgendwann vergeht einem diese Form der Rebellion, und man möchte, wie schon der Steinzeitmensch, sesshaft werden.

Als Homo sapiens mit unstillbarer Gier nach noch Besserem möchte man später die Notlösungen der Studentenzeit durch Qualität ersetzen. Man zieht um. Mehrmals. In der Zwischenzeit hat sich einiges an Lebenskrempel angesammelt, und man hat alle Hände voll zu tun. Ein Auszug kann Nerven kosten, was auch Moses eindrucksvoll bestätigt bekam. Wegen meiner Unfähigkeit im Bereich der Logistik wird jeder Umzug zum Auszug aus Ägypten mit allen zugehörigen biblischen Plagen. Vor allem, wenn man nebenbei arbeitet. Knapp bevor ich also im Studio von erlesen auftauchte, fiel mir nach intensiver Kistenschlepperei ein, dass in der alten Wohnung der Strom abgedreht war, in der neuen aber das Wasser. Im Hellen stinken oder im Dunkeln unter eiskaltem Wasser tappen erschien mir keine geeignete Lösung. Ich flüchtete in die Wohnung einer verreisten Freundin, deren Pflanzen ich gießen sollte. In der Badewanne pritschelnd, stellte ich fest, dass sie alle Pflegeprodukte mitgenommen hatte. Bis auf eine Flasche. Ich war erfreut, bis ich zwischen den abgebildeten Rosen die Hundepfote auf der Vorderseite entdeckte. Daneben lag ein Stück graue Haushaltsseife. Ich dachte an die Borsten ihres Hundes und ging auf Nummer sicher. Mein Credo lautete: Rivella mit Haushaltsseife. Erlesen eben. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 21./22.7.2012)