Foto: Schirmer/Mosel-verlag

Er wurde von Cecil Beaton und Man Ray porträtiert, auch verewigte ihn René Magritte, etwa in seinen Ölgemälden The Pleasure Principle und La reproduction interdite. Dazu förderte er Pablo Picasso, als den noch niemand kannte, und Salvador Dalí implementierte sein Ganzkörperbild in Swans reflecting Elephants - einem Meilenstein des Surrealismus: Edward James (1907-1984) reflektiert in seinen Memoiren Begegnungen mit Genannten und anderen Zeitgenossen. Die nach dem Titel des Dalí-Gemäldes benannte Autobiografie Schwäne spiegeln Elefanten ist ein kristallin-leuchtendes Kaleidoskop bizarrer Exzentriker und deren Epoche.

Als Mitglied des britischen Hochadels, illegitimer Enkel von King Edward VII. und Multimillionär betätigte sich James selbst als Künstler, als Poet, Designer, Choreograf, als Impresario sowie als Mäzen, Sammler und Förderer der surrealistischen Bewegung.

Angeregt und aufgezeichnet vom Jazzmusiker und Journalisten George Melly erzählte James im Alter von 75 Jahren 1982 in Form subjektiv-eruptiver Ergüsse die Geschichte seines Lebens. Der Narziss beschreibt seine Kindheit mit der hysterischen Mutter und seinen extravaganten, ein-, aber ungebildeten Schwestern, die Infamien des Internatslebens, der bourgeoisen englischen Spießbürger und seine Reisen quer durch Europa. Während dieser stürzte er sich zuerst in eine Affäre, schließlich in eine Ehe mit der egozentrischen Wiener Tänzerin Tilly Losch. Für die in Max Reinhardts Theatercompagnie verortete Balletteuse ließ er gar eigens von Balanchine Ballette komponieren.

Max Ernst, Bertold Brecht, Sigmund Freud, D. H. Lawrence, Peggy Guggenheim sind ihm Vertraute und Freunde. Ebenso wie die Künstler des Surrealismus, die er mit seinem Vermögen subventioniert und sponsert. Unter mehreren Pseudonymen publiziert der Visionär auch eigene Werke. Nach einer öffentlichen Ehe, geprägt von Untreue und schamlosen Affären auf beiden Seiten, folgt die skandalöse Scheidung. Entsetzen löst nicht so der Umstand der Trennung aus als die Fama, James sei homosexuell. Letztendlich endet der peinliche Rosenkrieg im Vergleich.

Erwähnenswert sind die privaten Malaisen aufgrund der dichten Vernetzung derselben mit den künstlerischen Avancen und internationalen Verflechtungen. Nicht zuletzt James' persönliche Entwicklung vom sensiblen, aber introvertierten Poeten zum exzentrischen Ermöglicher und De-facto-Zentralgestirn einer exzessiven wie bizarren Szene - als Förderer und Usurpator, als Ingeniosus zahlloser Kunstwerke - reflektiert die Metamorphosen und Schöpfungen miteinander verwobener Kunstsparten und antizipierender Künstlerriegen.

Das ganz selbstverständliche, weil dem Alltag des Protagonisten entsprechende Namedropping gerät partiell zum schwindelerregenden Karussell seiner zwischen Sussex, London, Paris, Wien, New York und final Mexiko oszillierenden Vita. Elitäre Zirkel von Aristokraten durchleuchtet James' Biografie gleichsam luzide wie die Entstehungsgeschichte bildender und angewandter Künste. Lapidar im Plauderton dechiffrierte Zeitgeschichte, junktimiert mit wesentlichen Teilen der Kunstära der Moderne.  (Gregor Auenhammer, Album, DER STANDARD, 21./22.7.2012)