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Ein geflüchtete Syrerin im Libanon.

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Ein Bild vom Donnerstag: Präsident Bashar al-Assad mit dem neuen Verteidigungsminister Fahad Jassim al-Freij.

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Beirut - Zwei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf die syrische Militärführung ist ein weiteres Mitglied aus dem inneren Machtzirkel von Präsident Baschar al-Assad seinen Verletzungen erlegen. Geheimdienstchef Hischam Bechtjar sei am Freitagmorgen an den Folgen des Angriffs gestorben, berichtete das Staatsfernsehen. Regierungstruppen versuchten weiterhin, von Aufständischen gehaltene Stadtteile von Damaskus sowie mehrere Grenzübergänge zurückzuerobern. Die Regierung wies Äußerungen des russischen Botschafters in Paris zurück, Assad sei zur Aufgabe der Macht bereit.

Kurz vor Bekanntgabe des Todes von Bechtjar berichtete das Fernsehen über die Trauerfeiern für die drei anderen Opfer des Selbstmordattentats vom Mittwoch. Darunter war der Verteidigungsminister und ein Schwager Assads. Der Angriff wird als schwerer Schlag für den Präsidenten gewertet, der seit etwa 16 Monaten gegen einen Aufstand kämpft. Seit dem Anschlag hat sich Assad nicht öffentlich geäußert. Am Donnerstag war er lediglich auf Fernsehbildern bei der Vereidigung des neuen Verteidigungsministers zu sehen.

UN-Mission verlängert

Die UNO-Beobachtermission in Syrien wird um 30 Tage verlängert. Darauf einigte sich der UNO-Sicherheitsrat am Freitag einstimmig in New York. Großbritannien hatte eine 30-tägige Verlängerung vorgeschlagen. Pakistan hingegen hatte sich für eine Verlängerung um 45 Tage ausgesprochen.

Das Mandat der 300 Mann starken Beobachtermission UNSMIS (United Nations Supervision Mission in Syria) darf nach den 30 Tagen nur dann verlängert werden, wenn keine schweren Waffen mehr zum Einsatz kämen, hieß es. Laut UNO setzt das Regime Kampfpanzer, Artillerie und Kampfhubschrauber in Wohngebieten ein. Wenn der Rückzug in diesem Zeitraum nicht stattfinde, werde die Mission abgezogen, hieß es.

In New York hatten zunächst ein britischer Vorschlag zur Diskussion gestanden. Er sah eine Verlängerung um zunächst 30 Tage vor, machte diese aber von einem Rückzug der schweren Waffen der syrischen Streitkräfte abhängig. Diesen Vorstoß hatte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin abgelehnt und mit einem Veto gedroht. Er unterstützte einen Vorschlag Pakistans, das Mandat um 45 Tage zu verlängern und dies nicht an Bedingungen zu knüpfen. Den nun beschlossenen Resolutionsentwurf hatten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal gemeinsam eingebracht.

Die Beobachtermission soll die offiziell seit dem 12. April geltende Waffenruhe zwischen dem Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und den Aufständischen überwachen. UNSMIS-Chef ist der Norweger Robert Mood.

Rebellen drohen Soldaten

Kommandanten der Freien Syrischen Armee (FSA) haben die bewaffneten Oppositionskräfte aufgefordert, ausländische Kämpfer des Regimes zu töten. In einem am Freitag veröffentlichten Aufruf hieß es, legitime Ziele seien Mitglieder der libanesischen Schiiten-Bewegung Hisbollah, der iranischen Revolutionsgarden sowie irakische Milizionäre und Palästinensergruppen im Dienst von Präsident Bashar al-Assad.

Die Soldaten der syrischen Armee hätten noch bis Ende Juli die Chance, sich der Revolution anzuschließen. Jeder Soldat, der danach gefasst werde, müsse damit rechnen, für die Verbrechen des Regimes zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Iran und die libanesische Hisbollah (Partei Gottes) sind die wichtigsten Verbündeten von Präsident Assad in der Region. Die irakischen Schiiten-Parteien hatten Berichte, wonach sie Milizionäre nach Syrien geschickt haben sollen, zurückgewiesen.

Kämpfe in Damaskus

In der syrischen Hauptstadt Damaskus haben sich bewaffnete Oppositionsanhänger Gefechte mit der syrischen Armee geliefert. Aufständische berichteten am Freitag von einem Angriff auf die Polizeidirektion in der zentralen Khalid-Ibn-al-Walid-Straße. Nicht weit von dem Gebäude entfernt sollen Angehörige der Sicherheitskräfte zu Mittag auf Männer geschossen haben, die nach dem Gebet aus einer Moschee gekommen waren und Parolen gegen Präsident Bashar al-Assad riefen.

Rebellen brannten nach Angaben von Augenzeugen die Saiqa-Kaserne im Zentrum von Damaskus nieder, die von der Shabbiha-Miliz genützt wird. Die Kaserne sei zuvor zwei Tage lang belagert worden. Rund 80 Milizionäre und Armeesoldaten hätten sich zurückgezogen.

Kampf um Grenzübergänge

Heftige Kämpfe gab es auch um mehrere Grenzübergänge. Der Übergang zur Türkei, Bab al-Hawa, befand sich in der Hand der Aufständischen. Er wurde von Regierungstruppen beschossen. Rebellen kontrollierten auch den Grenzübergang Abu Kamal zum Irak. Er wurde von irakischer Seite geschlossen. Zivilisten plünderten die Grenzgebäude und setzten sie in Brand.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks flohen binnen 48 Stunden rund 30.000 Syrer vor den Kämpfen in den Libanon. Weitere Hunderte Flüchtlinge sind in den vergangenen Tagen in die Türkei geflüchtet. Insgesamt sollen mehr zudem als eine Million Syrer innerhalb ihres eigenen Landes vertrieben worden sein und nun als Binnenflüchtlinge in Lagern und bei Verwandten und Freunden leben.

Auch die Absetzbewegung aus den Streitkräften hielt an. In türkischen Regierungskreisen hieß es, am Freitag seien ein syrischer Brigadegeneral und 20 weitere Militärangehörige in die Türkei geflohen.

Assad tritt nicht zurück

Der russische Botschafter in Paris hat am Freitag mit der Aussage für Aufregung gesorgt, Syriens Präsident Bashar al-Assad sei zu einem zivilisierten Rücktritt bereit. Kurz darauf kam schon das Dementi des syrischen Informationsministeriums: Assad trete nicht zurück.

Verbreitet hatte sich die Nachricht über den Twitter-Account der Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP). AFP berief sich auf eine Aussage des russischen Botschafters in Paris, Alexander Orlow, die dieser in Radio France International getätigt hatte. Nach Aussagen von Orlow würde Assad einen "zivilisierten Rücktritt" akzeptieren.

Angriff auf Vorort von Damaskus

Nach Angaben der syrischen Opposition hat die Armee einen südlichen Vorort von Damaskus von Hubschrauern aus mit Raketen beschossen. Dabei seien mindestens drei Menschen getötet worden, sagte ein Aktivist der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Opposition hat sich mittlerweile aus dem umkämpften Midan-Viertel im Zentrum von Damaskus zurückgezogen. Die Rebellen seien von Assads Truppen zurückgedrängt worden. (Reuters/APA/red, derStandard.at, 20.7.2012)