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Viele Spanier sehen nicht ein, dass es für die Banken viel Geld gibt, für Arbeitslose hingegen immer weniger.

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Das Sparprogramm sieht empfindliche Einschnitte wie Erhöhung der Mehrwertsteuer, Kürzungen des Arbeitslosengeldes, Abschaffung des Weihnachtsgeldes für Angestellte im öffentlichen Dienst vor.

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"Sie wollen das Land ruinieren, das müssen wir verhindern", so das Motto der Protestierenden.

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Nicht nur in Madrid kam es zu heftigen Auseinandersetzungen.

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Madrid - 30 Milliarden sollen noch im Juli für die angeschlagenen spanischen Banken bereitgestellt werden. Das wollen die Euro-Finanzminister noch am Freitag per Telefonkonferenz beschließen. Nach vorläufiger EFSF-Einschätzung könnten die weiteren Tranchen Mitte November 2012, Mitte Dezember 2012 und die letzte bis Juni 2013 zur Verfügung gestellt werden. Voraussetzung für die Auszahlung sind aber ein Stresstest für alle spanischen Banken und klare Aussagen, welche Banken geschlossen, restrukturiert oder rekapitalisiert werden sollen und wer ohne staatliche Hilfe auskommt. Bis zum Herbst soll dieser Prozess abgeschlossen sien.

Die EU-Kommission hat außerdem Befürchtungen zurückgewiesen, wonach das Geld aus dem milliardenschweren Hilfsprogramm für Spaniens Banken auch zum Aufkauf spanischer Staatsanleihen genutzt werden könnte. "Um das klar zu sagen: Die bis zu 100 Milliarden Euro, die die Eurozone nun bereitstellt für die Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors, dienen diesem Ziel und keinem anderen", sagte der Sprecher von Währungskommissar Olli Rehn am Donnerstag. "Ich kann es nicht klarer sagen."

In mehreren Medienberichten hatte es unter Berufung auf den Entwurf einer Vereinbarung zwischen Spanien und dem Euro-Rettungsfonds EFSF geheißen, das Programm gehe über die Bankenhilfe hinaus. Von den nicht für die Banken genutzten Summen sollten auch spanische Staatsanleihen aufgekauft werden können, um das kriselnde Land zu stützen.

Proteste wegen Sparpaket

Die spanische Polizei hat indes in der Nacht zum Freitag in der Hauptstadt Madrid Gummigeschoße gegen Teilnehmer eines Massenprotests gegen neue Sparmaßnahmen eingesetzt. Zudem trieb sie am Abend am zentralen Platz Puerta del Sol kleinere Gruppen von Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Angaben über Verletzte oder Festnahmen lagen zunächst nicht vor.

Bei einer Großdemonstration in Madrid hatten hunderttausende Spanier gegen die neuen Sparmaßnahmen der Regierung protestiert. Die Demonstranten versammelten sich unter dem Motto "Sie wollen das Land ruinieren, das müssen wir verhindern" im Zentrum der Hauptstadt.

Gewerkschaft ruft zu Protesten auf

Bei den Demonstrationen geht es um das umstrittene Sparpaket, das Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits am vergangenen Freitag per Dekret verabschieden ließ. Seitdem kam es fast täglich zu kleineren Protesten von Angestellten im öffentlichen Dienst. Am Donnerstagabend jedoch folgten landesweit nach ersten Angaben spanischer Medien Hunderttausende in über 80 Städten dem Aufruf der beiden großen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO, gegen die "sozial ungerechten Maßnahmen" zu protestieren.

"Ich habe mit diesen Massen gerechnet. Immerhin betreffen die Sparmaßnahmen, aber auch die Steuererhöhungen die gesamte Gesellschaft", sagt Jaime Gonzalez, Feuerwehrmann in Madrid. "Die Regierung soll mir einmal erklären, wie ich ans Monatsende kommen soll, wenn alles teurer wird und man mir von meinem geringen Gehalt von 1.500 Euro im Monat auch noch das Weihnachtsgeld kürzt", empört sich der zweifache Familienvater. Er hält ein Plakat mit der Aufschrift "Das ist keine Krise, das ist ein Betrug" in die Höhe.

So versteht auch UGT-Gewerkschaftsführer Candido Mendez die aktuellen Sparmaßnahmen gegen die Krise. Er spricht von einem "demokratischen Betrug", weil die Bürger die neue Regierung im November für ein Programm gewählt haben, das heute nichts mehr mit dem zu tun habe, was die Regierung beschließe. Gegenüber Medienvertretern erklärte Mendez zu Beginn der Großkundgebung in Madrid, dass die landesweiten Demonstrationen für die Gewerkschaften ein Barometer seien, um zu entscheiden, eventuell erneut zu einem landesweiten Generalstreik aufzurufen. Es wäre der zweite gegen die Regierung von Ministerpräsident Rajoy, der erst seit Mitte Dezember im Amt ist.

Schwere Kürzungen

Erst am Donnerstagvormittag hatte Rajoys konservative Volkspartei (PP) mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament die Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen verabschiedet, mit denen Rajoy in den kommenden zwei Jahren im Kampf gegen die ausufernde Staatsverschuldung ankämpfen will. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, Kürzungen des Arbeitslosengeldes, der Abschaffung des Weihnachtsgeldes für Angestellte im öffentlichen Dienst und anderen Maßnahmen möchte die Regierung 65 Mrd. Euro einsparen. "Mit diesem Plan wird die Regierung jedoch nicht Spanien retten, sondern eine Massenverarmung der Mittelschicht erreichen", kritisierte zu Beginn der Großkundgebung in Madrid auch Ignacio Fernandez Toxo, Vorsitzender des spanischen Gewerkschaftsbundes CCOO.

Dass vor allem die vor den Wahlen von Rajoy immer wieder strikt abgelehnte Anhebung der Mehrwertsteuer das Gemüt aller Bevölkerungsschichten und Berufssparten aufwühlt, zeigte beispielsweise die Teilnahme vieler Persönlichkeiten aus dem Schauspiel- und Musikgewerbe an der Massenkundgebung. Kinobetreiber, Konzertveranstalter wie Künstler fürchten den massiven Rückgang der Zuschauer wegen der bevorstehenden Erhöhung der Eintrittspreise. Die Regierung hat innerhalb der neuen Sparmaßnahmen beschlossen, die Mehrwertsteuer für Eintrittskarten in Kinos, Festivals, Theatern und Konzertsälen von acht auf 21 Prozent anzuheben.

"Das wird den Ruin für unsere Branche bedeuten", erklärte die spanische Schauspielerin Pilar Bardem am Rande der Kundgebung. Ihr Sohn, Oscar-Preisträger Javier Bardem, machte ebenfalls seine Kritik gegenüber spanischen Medien auf der Demo bekannt. "Ich protestiere gegen die Ungerechtigkeit, dass der Finanzsektor vor seiner Verantwortung fliehen darf und Pensionisten, Arbeitslose und die normalen Bürger jetzt alles ausbaden sollen", begründete der Schauspieler mit Blick auf die jüngste Bankenrettung durch die EU mit einem Hilfspaket von 100 Mrd. Euro seine Teilnahme an der Demo.

Das neue Sparpaket der spanischen Regierung ist bereits das vierte, das Rajoy innerhalb eines halben Jahres verabschiedet hat. Zuvor nahm er eine harte Arbeitsmarktreform vor, um Entlassungen zu vereinfachen und kürzte zehn Mrd. Euro im staatlichen Gesundheits- und Bildungsbereich. "Ich weiß, dass diese Maßnahmen nicht angenehm sind, aber sie sind unverzichtbar", erklärte er bereits am Vormittag. Unterdessen verteidigte Finanzminister Cristobal Montoro im Parlament die harten Sparmaßnahmen mit der Begründung, es gebe in der Staatskasse kein Geld mehr, um bestimmte Dienstleistungen zu bezahlen. (APA, 20.7.2012)