Die Wortkünstler des Weißen Hauses gaben sich gar nicht die Mühe, den Konflikt schönzureden. Russland und die USA hätten nach wie vor unterschiedliche Ansichten zur Lage in Syrien, hieß es nach einem Telefonat, in dem Barack Obama seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin überzeugen wollte, Bashar al-Assad nicht länger zu unterstützen. Während Moskau noch an Assad festhält, hat Washington den Glauben an Kompromisse verloren. "Assad wird nicht Teil der syrischen Zukunft sein. Er ist ein Mann von gestern", sagte Präsidentensprecher Jay Carney.

Eine militärische Intervention steht im Kabinett Obamas allerdings nicht zur Debatte, auch wenn Republikaner wie John McCain ein Eingreifen fordern, zumindest die Einrichtung einer Schutzzone für fliehende Zivilisten im Nordwesten Syriens. Die Schlüsselformel des Oval Office, fast täglich wiederholt, lautet "geordneter Übergang". Zum einen bedeutet es, Assad ins Asyl zu drängen, ein Konzept, das nach allen nahöstlichen Erfahrungswerten nur selten aufgeht. Zum anderen soll ein innersyrischer Ausgleich vermittelt, eine Verständigung gemäßigter Köpfe der Opposition mit Politikern aus der zweiten Reihe des Regimes angebahnt werden. Was die Administration vermeiden möchte, ist eine Wiederholung des Kapitels Irak.

Dort war im April 2003, nach dem Sturz Saddam Husseins, ein Machtvakuum entstanden, das zu einem Bürgerkrieg führte. Ähnlich wie das Zweistromland gleicht auch Syrien einem ethnischen und konfessionellen Flickenteppich. Die Minderheit der Alawiten, Assads Hausmacht, könnte in den Küstenbergen am Mittelmeer einen Guerillakrieg beginnen, falls sie das Ringen um Damaskus verliert. Die Kurden, im Nordosten Syriens die dominierende Kraft, könnten bewaffnet für ihre Autonomie kämpfen. Der Zerfall nationaler Institutionen in einem nahöstlichen Schlüsselland - es ist ein Szenario, das Obamas Mannschaft fast schon im Alarmton von der Dringlichkeit einer politischen Regelung sprechen lässt. Ebenso wie die Möglichkeit, dass Assad in seiner Verzweiflung Chemiewaffen einsetzt.

Nur: Die Einflussmöglichkeiten sind denkbar gering, noch geringer als in Ägypten, wo die USA mit 1,5 Milliarden Dollar Finanzhilfe pro Jahr zumindest ein Hebelchen in der Hand hatten und obendrein bei Generälen Gehör fanden, die teils in Amerika ausgebildet worden waren. Syrien dagegen ist eher eine politische Terra incognita. Im Vordergrund steht denn auch der Versuch, die potenziellen Hauptakteure der Zeit nach Assad besser kennenzulernen.

Ein Hürdenlauf

Nach Informationen der Washington Post arbeitet die CIA seit einigen Wochen mit syrischen Oppositionellen zusammen. Vor allem, schreibt der Nahostspezialist David Ignatius, wolle man herausfinden, welche Rolle Al-Kaida in den Reihen der Opposition spielt. Hinter den Kulissen organisiert das Institute for Peace, ein Think-Tank in Washington, seit Jänner einen runden Tisch mit 45 syrischen Regimegegnern. Am Mittwoch machte Steven Heydemann, der Syrienexperte des Instituts, die Gesprächsserie erstmals publik. "Eine der höchsten Hürden", so Heydemann, "war die Unfähigkeit der Opposition, klar zu umreißen, was in Syrien passieren wird, wenn Assads Regime zusammengebrochen ist." (Frank Herrmann aus Washington /DER STANDARD, 20.7.2012)