Brüssel/Bukarest - Als Reaktion auf die rechtsstaatlich bedenklichen Vorkommnisse in Rumänien will EU-Justizkommissarin Viviane Reding das Amt eines europäischen Justizministers schaffen. Dieser soll das Recht haben, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, wenn die Unabhängigkeit der Justiz in einem Mitgliedsstaat gefährdet ist. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, forderte Reding daraufhin auf, sich "neutral und objektiv" zu verhalten.
Rumäniens Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Nationalliberalen hatte Anfang Juni durch Notverordnungen versucht, ihren Einfluss in den Institutionen zu stärken, und einen Prozess zur Absetzung von Präsident Traian Basescu eingeleitet. Der halbjährliche Monitoring-Bericht der EU-Kommission zur Justiz in Rumänien fiel am Mittwoch entsprechend hart aus. Besonders kritisiert wurde der Versuch, das Verfassungsgericht zu beschränken, Kernelemente der Gewaltenteilung abzuschaffen und Richter unter Druck zu setzen.
Teils heftige Reaktionen gab es in Rumänien. Ex-Justizminister Tudor Chiuariu nannte den Bericht eine "Kränkung des rumänischen Volkes", dieser könne als "Waffe" missbraucht werden.
Die Ethikkommission der Universität Bukarest hat inzwischen laut der Zeitung Romania Libera befunden, dass im Fall der rechtswissenschaftlichen Dissertation von Premier Victor Ponta aus dem Jahr 2003 ein intellektueller Betrug vorliege. Zuvor hatte bereits der Rat für die Anerkennung akademischer Titel erklärt, dass ein Drittel der Arbeit ein Plagiat darstelle. Anders der Ethikrat im Unterrichtsministerium: Eine "technische Unterkommission" des Rates hat zugunsten Pontas befunden. Im Mai hatte Ponta die Mitglieder des Rats durch parteitreue Personen austauschen lassen. (von Adelheid Wölfl und Laura Balomiri /DER STANDARD, 20.7.2012)