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Neandertaler haben nicht nur erjagtes totes Tier, sondern auch Heilpflanzen gegessen.

Foto: AP/Martin Meissner

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Die Archäologen fanden Hinweise darauf in der El-Sidrón-Höhle im Norden Spaniens.

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Madrid/Granada - Über die Gründe, warum die Neandertaler vor rund 25.000 Jahren ausstarben, wird seit langem heftig spekuliert. Eine These besagt, dass unsere ehemals nächsten Verwandten bloß Fleisch auf dem Speiseplan hatten und deshalb allzu sehr von Jagderfolgen abhängig gewesen seien. Diese Vermutung ist in den letzten Jahren allerdings mehrfach in Zweifel gezogen worden, zumal man Nachweise dafür fand, dass Neandertaler auch pflanzliche Kost nicht verschmähten.

Neue Funde aus Spanien zeigen, dass der Speiseplan unserer Artgenossen noch vielseitiger und komplexer gewesen sein dürfte als bisher gedacht. Ein internationales Forscherteam um Karen Hardy von der Autonomen Universität Barcelona und der britischen Uni York analysierte zehn Zähne aus fünf Neandertaler-Schädeln, die man 2009 in der El-Sidrón-Höhle im nordspanischen Asturien entdeckte.

Die Analysen der rund 50.000 Jahre alten Beißerchen und ihres Zahnsteins ergeben, dass die Neandertaler Kamille und Gemeine Schafgarbe zu sich nahmen. Außerdem waren im Zahnstein Hinweise auf Kumarin, Nüsse und grüne Gemüsesorten gespeichert.

Bitterkräuter mit heilsamer Wirkung

Kamille und Schafgarbe sind desinfizierende und entzündungshemmende Heilpflanzen, die wegen ihres sehr bitteren Geschmacks und niedrigen Brennwerts nicht als Nahrung dienen konnten. Sie sind wohl aus medizinischen Gründen verwendet worden, vermutet Ko-Autor und Studienleiter Antonio Rosas. Selbst eine äußerliche Anwendung der Kräuter schließt der spanische Archäologe nicht aus. Das in der Kamille enthaltene Azulen beispielsweise ist entzündungshemmend.

Für Rosas ist klar, dass Neandertaler "anders waren als wir Menschen". Doch jede neue Entdeckung würde zugleich deren "Menschlichkeit" mehr und mehr untermauern. Heute wisse man jedenfalls, dass auch Neandertaler ihre Kranken pflegten, Schmuck verwendeten, ihr Essen auf Feuer zubereiteten und ihre Toten bestatteten.

Erst vor wenigen Wochen fand man ebenfalls in Spanien Belege dafür, dass sie sogar Höhlenwände bemalten. (jam, DER STANDARD, 20.7.2012)