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Sich überraschen lassen vom Weizenaroma im "Weizenwolf" der Brauerei Leutschach.

Foto: APA/Sascha Schuermann

In Peter Richters köstlichem Buch "Über das Trinken" findet sich der schöne Satz: "Wenn es Blindverkostungen für Musik gäbe, würden auch Wagner-Fans Udo Jürgens den Vorzug geben." Will sagen: Das Gefällige, Unbeschwerte, Marktgängige trifft auch den Geschmack des Kenners - und je besser der Kenner mit der Materie vertraut ist, desto eher findet er in einer Blindverkostung Makel, die die abgeschliffenen Kommerzprodukte eben nicht haben.

Blindverkostungen werden ja oft genau dazu eingesetzt: Fehler zu finden, ohne dass die Tester wissen, an welchem Objekt sie gerade auf der Suche sind. Die Verkostung, die der steirische Blinden- und Sehbehindertenverband mit den steirischen Kleinbrauereien mehr oder weniger regelmäßig ausrichtet, hat allerdings einen anderen Zweck. Bierfreunde werden in einen absolut dunklen Raum geführt, um dort zu erleben, welche Geschmackserlebnisse Blinde haben.

Kakao, Weizen und Wein

Zwei blinde Damen servieren die ersten Gläser: zwei Proben, die beide einen leichten Röstcharakter zeigen, vielleicht sogar einen Hauch von Kakao. Erwünscht ist das in Bieren, die eben Röstmalz enthalten. Alle schmecken es. Und erst nachher erfährt man: Sowohl das "Biogold" vom Toni-Bräu als auch das "Marienbier hell" vom Marienbräu in Graz sind eigentlich helle Biere, in denen die angesprochenen Geschmäcker eigentlich nicht zu erwarten wären.

Aber man hat sich ja ins Dunkle gesetzt, um sich überraschen zu lassen - vom Weizenaroma im "Weizenwolf" und vom Weinaroma (das sich aber kaum einstellen will) im "Weinbier" der Brauerei Leutschach - und von der Kraft im "Seltenen Ludwig" vom Gratzerbräu. Dann das saubere, trockene Stout von der Handbrauerei Forstner - keine Frage, das ist ein Bierstil, den man blind erkennen kann. Was ja Zweck der Übung ist. (Conrad Seidl, Rondo, DER STANDARD, 20.7.2012)