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Mount Everest Besteiger, Veto-König und eiserner Sparer. Gary Johnson - ein Mann der Extreme.

Foto: AP/Moore

CNN-Mitarbeiter haben mit Gary Johnsons Anhängern dieser Tage sicher keine Freude. Seit einer Woche hagelt es in sämtlichen Social Media Kanälen, Online-Foren und auf Twitter Kritik wegen der Einladungspolitik des TV-Senders. Damit nicht genug: auch vor der CNN-Zentrale in Atlanta postierten sich am Montag 200 Unterstützer von Gary Johnson und machten darauf aufmerksam, dass der Präsidentschafts-Kandidat der "Libertarian Party" nicht an den TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten im Herbst teilnehmen darf. Normalerweise gilt in den USA: Wer 15 Prozent der Stimmen in Umfragen erreichen kann, der darf auch live auf Sendung debattieren. Weil nach Gary Johnson jedoch nur in den wenigsten der nationalen Wahl-Umfragen gefragt wird, wissen die wenigsten Amerikaner von seiner Kandidatur und können sich auch nicht für ihn aussprechen - argumentieren seine Wähler und auch er selbst.

Die magische Zahl 15 ist es, die Gary Johnson benötigt, um in der ganzen Nation Gehör zu finden. Darum bittet er bei seinen Wahlkampfauftritten auch laufend darum, dass bei den Meinungsforschungsinstituten darum geworben werden soll, seinen Namen in die Umfragen aufzunehmen. "Das kann nicht zu viel verlangt sein, oder?" Die wenigen Umfragen, die Johnson ausweisen, bescheinigen ihm derzeit zwischen fünf und 13 Prozent der Stimmen. Tendenz steigend. So erhielt er im Mai bei einer Umfrage von JZ Analytics noch 2 Prozent. Im Juli waren es dann schon 5,3 Prozent.

Zünglein an der Waage

Auch wenn es sich - gemessen an der Wahlkampfschlacht zwischen Romney und Obama - derzeit nur um einen Nebenschauplatz handelt, könnte das Abschneiden Johnsons bei der Wahl im November von entscheidender Bedeutung sein. Denn jeder Wähler Johnsons kann zum Vorteil oder Nachteil für Obama und Romney werden. Derzeit scheint sich die Kandidatur Johnsons zu Ungunsten Mitt Romneys zu entwickeln, denn Johnson ist unter den Republikanern kein Unbekannter.

Im vergangenen Jahr noch trat er unter der Schirmherrschaft der Republikaner als Präsidentschaftskandidat auf, schied jedoch Ende Dezember 2011 aus dem Rennen aus. Daraufhin gab er bekannt, für die libertäre Partei antreten zu wollen. Im Mai 2012 schließlich wurde er am Parteitag zum alleinigen Kandidaten gekürt. Ehemalige Anhänger von Ron Paul, der ebenfalls das libertäre Eck der Republikaner abdeckt und schon 1988 für die Libertarian Party kandidierte, könnten sich nun um Johnson scharen. Allerdings könnten auch Wähler, die mit Obamas bisherigem politischen Kurs unzufrieden sind, zu ihm abwandern. Möglich soll das in allen 50 Bundesstaaten sein. Johnson will - im Gegensatz zu anderen Präsidentschaftskandidaten wie der Grünen Jill Stein - trotz geringer Mobilmachung überall auf dem Wahlzettel stehen.

"Governeur Veto"

Mit Gary Johnson schickt die libertäre Partei einen der stärksten Kandidaten seit langem ins Rennen, der in der Vergangenheit sein Talent als Politiker schon im ansonsten demokratisch dominierten New Mexiko unter Beweis stellen durfte. Zwei Amtsperioden (1995-2003) lang war er dort Gouverneur und seine Bilanz kann sich sehen lassen. Er hinterließ New Mexiko ein ausgeglichenes Budget und reklamiert für sich, 1.200 Beamten-Stellen gekürzt zu haben, ohne jemanden entlassen zu müssen. Außerdem seien während seiner Amtszeit 20.000 neue Jobs geschaffen worden. Nicht von ihm, wie er betont. Er habe nur das Umfeld dafür geschaffen.

Bekannt wurde Johnson, der seit 2009 mit der Immobilienmaklerin Kate Prusack verlobt ist und zwei erwachsene Kinder hat, aber aufgrund seiner Veto-Rekorde. Er erarbeitete sich einen Ruf als "Governeur Veto", da er bei über 30 Prozent der Gesetzesanträge der Legislative ein Veto einlegte. Insgesamt passierte das 750 Mal, eine Anzahl auf die alle übrigen Gouverneure während seiner Amtszeit zusammen nicht kommen. Auch abseits der Politik ist Johnson ein Mann der Rekorde. Triathlon, Bergsteigen und Schifahren sind seine Leidenschaften. Er hat unter anderem den Iron Man in Hawaii bestritten und den Mount Everest bestiegen.

Johnson: Marihuana legalisieren

Wenn es um seine eigene Gesundheit geht, fährt Johnson eine sehr konservative Politik: Kein Alkohol, keine Drogen und Nahrungsmittel mit möglichst wenig Zucker. Geht es um die gesamte US-amerikanische Bevölkerung, ist er zu großen Zugeständnissen bereit. Johnson hält nichts vom "War on Drugs". Er möchte Marihuana legalisieren - ließ es sich selbst nach einem Unfall beim Paragleiten verschreiben - und das Alter, ab dem in den USA Alkohol konsumiert werden darf, von 21 auf 18 Jahre senken.

Liberal ist auch seine Haltung zur gleichgeschlechtlichen Ehe. In dieser Sache geht ihm Barack Obama nach wie vor nicht weit genug: Wenn der Präsident der Meinung sei, dass diese Sache auf bundesstaatlicher und nicht auf nationaler Ebene geregelt werden solle, habe er offensichtlich Angst, in Ohio, Colorado, Virginia oder North Carolina zu verlieren. Mit seinem öffentlichen Bekenntnis zur Homo-Ehe ändere sich für die Menschen genau nichts, so Johnson in einer Aussendung.

Aussicht auf bestes Wahlergebnis aller Zeiten

Mehr Zustimmung unter den Wählern als durch sozial-liberale Reformen könnte Johnson seine strikte Sparpolitik bringen. Als Präsident will er das föderale Budget beschneiden und 1,4 Billionen Dollar an Regierungsausgaben einsparen. Dem Pentagon plant er beispielsweise fast 43 Prozent des Budgets zu streichen. Das wäre nicht so tragisch, meint Johnson, damit würde lediglich auf das Budget vom Jahr 2003 zurückgefahren werden.

Seine eigene Kampagne und Kandidatur könnten hingegen am zu geringen Budget scheitern. Zwar wird gemutmaßt, dass Johnson das beste Ergebnis der libertären Partei aller Zeiten einfahren könnte, doch ihm fehlt sowohl das Geld - zum Beispiel durch ein Super PAC - als auch die Zeit, um einem breiteren Publikum als Wahl-Alternative bekannt zu werden. In den amerikanischen Medien findet man ihn - wie erwähnt - derzeit nur unter ferner liefen. Dennoch: zumindest Mitt Romney scheint seinen Mitbewerber zu fürchten. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Romneys Parteifreunde es geschafft haben, dass Johnson nicht am Wahlzettel in Michigan stehen wird, weil er die entsprechenden Formulare drei Minuten zu spät eingereicht haben soll.

Johnson plant allerdings schon den Gegenschlag. Gesetzlich ist es möglich, dass sich jemand anderer, der denselben Namen wie er trägt, noch registrieren kann. Deshalb sucht Gary Johnson nun nach einem Namensvetter. Die Suche dürfte nicht allzu schwierig sein. (Teresa Eder, derStandard.at, 19.7.2012)