Bukarest - Die EU-Kommission fordert in ihrem aktuellen Bericht im Rahmen des seit 2007 aufrechten Justiz-Monitoringverfahrens in Rumänien vom Regierungsbündnis "Sozialliberale Union" (USL) aus Sozialdemokraten (PSD) und Nationalliberalen (PNL) "dringende Schritte" zur Wahrung des Rechtsstaats. Dies geht aus einem Entwurf des Berichts hervor, der am morgigen Mittwoch in Brüssel veröffentlicht werden soll. "Der wichtigste Schritt, den die Regierung und die Schlüsselinstitutionen in Rumänien tun werden müssen ist, ihr Engagement für die unverzichtbaren Grundsteine des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz nachzuweisen", so die EU-Kommission. Die Nachrichtenagentur "Reuters" kündigte indes unter Berufung auf Quellen in Brüssel, dass die EU-Kommission eine Erweiterung des Justiz-Beobachtungsverfahrens in Rumänien plane.

Zugeständnisse von Ponta

Die Forderungsliste stellt eine weitere Reaktion der EU-Institutionen auf eine Reihe rechtlich fraglicher Personalumstellungen und Gesetzesänderungen dar, welche die USL Anfang Juli vorgenommen hatte, um den bürgerlichen Staatschef Traian Basescu seines Amtes zu entheben und alle Schlüsselpositionen im Staat durch eigene Vertreter zu besetzen. Dabei wurden unter anderem die Befugnisse des Verfassungsgerichtshofs (VGH) deutlich beschnitten. Zudem war für das Referendum am 29. Juli, durch das über die Ab- oder Wiedereinsetzung des suspendierten Präsidenten entschieden werden soll, die Beteiligungsquote als Bedingung zur Validierung des Ergebnisses komplett abgeschafft worden.

Infolge des Drucks seitens der EU sowie eines VGH-Urteils wurden diese Entscheidungen zwar rückgängig gemacht. In einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Dienstag habe Ponta laut der Nachrichtenagentur "dpa" erneut Zugeständnisse gemacht und somit erwirkt, dass die Kommission die derzeit äußerst scharfe Kritik im Fortschrittsbericht "entsprechend aktualisiert".

Unverzügliche Veröffentlichung von Gesetzen gefordert

Dennoch versucht die PSD weiter, mittels Änderungen des Referendumsgesetzes die Absetzung des Präsidenten zu erreichen. So kündigte das Außenministerium beispielsweise an, die Anzahl der Wahllokale im Ausland auf die Hälfte, in Spanien, wo die meisten Auslandsrumänen ansässig sind, sogar um 80 Prozent zu reduzieren. Die rund drei Millionen im Ausland lebenden Rumänen wählen traditionell Basescu. Auch bestehen PSD-Vertreter weiterhin darauf, dass es weiterhin möglich sei, dass das Parlament am morgigen Mittwoch die Quorumsregelung beim Referendum abschafft oder das Referendum auf zwei Tage erweitert, um die eingeforderte 50+1-Mehrheit zu erreichen.

Angesichts derartiger antidemokratischer Exzesse fordert die EU-Kommission in ihrem Bericht, dass die Regierung unverzüglich jene Dringlichkeitsverordnungen annulliert, durch welche in die Funktionsweise des VGH und den Ablauf des Referendums eingegriffen worden war. Nachdem die Regierung das Amtsblatt unter ihre Kontrolle gebracht hatte, um durch die rasche oder verzögerte Veröffentlichung von Gesetzen deren Rechtswirksamkeit beliebig manipulieren zu können, fordert die EU nun, dass die unverzügliche Veröffentlichung aller Gesetze gesichert werde. Auch wird verlangt, dass die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt, Einschüchterungsversuche gegen Richterunterlassen und ein Volksanwalt ernannt wird, den alle Parteien stützen.

Aus einer laufenden Ermittlung der Antikorruptionsbehörde (DNA) geht hervor, dass zwei hochrangige Richter versucht haben, mit dem Premier die Vergabe einiger der höchsten Posten im Justizsystem zu verhandeln - diesbezüglich fordert die EU-Kommission, dass die Nominierung des Generalstaatsanwalts und des Leiters der Antikorruptionsstaatsanwalts transparent und ausschließlich nach Kompetenzkriterien erfolge.

Strafe nicht entgangen

Kommentatoren zufolge ist die Tatsache, dass die Ernennungen in diese Posten dem Staatschef obliegen einer der wichtigsten Gründe, weshalb die Regierung Basescu so dringend absetzen will - kurz vor der Auslösung der Offensive gegen Basescu hatte Pontas Partei einen schweren Schlag seitens der Justiz erlitten: Gegen den ehemaligen PSD-Chef, Außen- und Premierminister Adrian Nastase, zudem Pontas Mentor, war ein historisches Urteil gesprochen worden - als erster hochrangiger Politiker im demokratischen Rumänien wurde er zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dass es ihm trotz wiederholter Versuche, einschließlich eines offenbar inszenierten Selbstmordversuchs, nicht gelungen war, dieser Strafe zu entgehen, habe laut Analysten die derzeitigen Regierungsparteien in Zugzwang gebracht, da vielen deren Mitglieder ähnliche Verfahren und Strafen drohen würden.

Der Interimspräsident Crin Antonescu (PNL) wies indes die Forderungen der EU erneut scharf zurück und erklärte, dass einige davon die Befugnisse der EU-Kommission überschreiten würde. Er bezog sich dabei auf die Forderung, dass im Rahmen seiner Interims-Amtszeit keine Begnadigungen und Personalumstellungen im Justizwesen erfolgen dürften. Immer wieder war davon die Rede gewesen, dass Antonescu Nastase seine Strafe erlassen könnte. (APA, 17.7.2012)