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Das Eis ist gebrochen: Eisbrecher und zunehmend auch Handelsschiffe können den hohen Norden passieren.

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Grafik: Standard

Wien - Anfang Juni war Hillary Clinton da. Auch Wladimir Putin lässt sich gern den eiskalten Sommerwind um die Pelzhaube pfeifen. Und selbst Angela Merkel hat sich bereits vor Grönland schmelzende Eisberge angesehen. Soviel politische Prominenz ist nicht nur mit der Naturschönheit der Arktis oder rasender Sorge um die nordische Umwelt zu erklären. Nein, es geht auch um handfeste geopolitische Interessen.

Mit dem Voranschreiten des Klimawandels ist die Nordpol-Region enormen Veränderungen ausgesetzt: Die Eiskappe schmilzt. Gleichzeitig werden die fossilen Ressourcen der Region für eine Ausbeutung zugänglicher und bisher durch Eismassen blockierte Schiffverkehrswege passierbar. Damit erhöhen sich auch die schon seit Jahrzehnten kundgemachten Begehrlichkeiten der Anrainerstaaten zum Nordpol (siehe Grafik).

Eine aktuelle Analyse des "Center for Security Studies" der ETH Zürich sieht vor allem Russland als den großen Profiteur dieser Entwicklungen. Vergangenes Jahr etwa war die Nordostpassage für eine Rekorddauer von 141 Tagen offen. Die Frachtkosten etwa für russisches Erdgas oder Erdöl nach China reduzieren sich auf diesem Weg um ein Drittel, die Zeitersparnis beträgt sogar die Hälfte gegenüber der üblichen Route durch Mittelmeer und Suezkanal. 2011 fuhr erstmals ein russischer Supertanker mit 120.000 Tonnen Gaskondensat über die Beringstraße nach Thailand - in Rekordgeschwindigkeit für eine Atlantik-Pazifik-Passage von acht Tagen.

Nordpolmaut

In Moskau richtet die Führung die Wachstumsperspektiven Russlands bereits auf die Exploration der Ressourcen in der Arktis aus. Selbst Planspiele über eine Art Nordpolmaut, Gebühren für begleitende Eisbrecher exklusive, werden gewälzt. "Kein Zweifel, wir stehen hier erst am Anfang", sagte Russlands Präsident Putin damals noch als Ministerpräsident auf dem internationalen Arktisforum im September.

Zukunftsmusik? Vor allem auch für die Nordwestpassage? Eher nicht. "Ich sehe einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer 2016 - plus/minus drei Jahre", erklärte etwa Wieslaw Maslowski von der US-Naval Postgraduate School in Kalifornien.

Von der anderen Seite des Atlantiks kommen ebenfalls starke, seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr vernommene Statements die Arktis betreffend: "Aus strategischer Sicht bekommt die Arktis immer mehr geopolitische Bedeutung, weil Anrainerstaaten ihre Rechte schützen und ihren Einfluss ausweiten wollen", sagte US-Außenministerin Clinton im Juni in Tromso. Die USA würde mit Norwegen eng daran arbeiten, die Veränderungen über den Polarkreis "zu managen".

Das bildet sich auch in militärischen Ressourcen ab, die zunehmen in der Region fokussiert werden. Selbst das kleine Dänemark (zu dem das große Grönland gehört) richtet seine Militär-Kapazitäten in Richtung Norden aus. Die USA und Russland können indes auf alte Basen aus der Zeit vor 1989 zurückgreifen.

Österreichs Interessen

Neben dem energiehungrigen China, das unglücklich ist, in diesem großen Spiel keine besondere Rolle zu haben, hat auch Österreich über den Vertrag von Spitzbergen einen Part. Wien ist einer der 40 Unterzeichnerstaaten des 1920 geschlossenen Vertrages, der seinen Signataren das Recht einräumt Forschung und auch die Ausbeutung von Ressourcen um Spitzbergen vorzunehmen.

Österreich betreibt schon lange eine Forschungsstation dort. Neuerdings haben auch China und Südkorea eine eigene eingerichtet. "Es ist, als wolle jedes Land ein Fähnchen einstecken, solange die territorialen Ansprüche noch nicht vollumfänglich geklärt sind", sagt Jonas Grätz, der Studienautor vom Center for Security Studies in Zürich. (Manuel Escher/Christoph Prantner, DER STANDARD, 18.7.2012)