Wien - "Es war eine gute Beziehung", sagt Sinan M. über seine Ehe mit Arzu. Was nicht ganz stimmen kann, schließlich hat der 37-Jährige seine um acht Jahre jüngere Frau am 8. Dezember in Wien-Favoriten getötet. Mit fünf Messerstichen, vor den Augen von Verwandten und zwei der vier gemeinsamen Kindern. Am Dienstag sitzt er mit einer Mordanklage vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Martina Krainz.

Das Bild der Beziehung bleibt trotz der Bemühungen der Berufsrichter, es zu fassen, seltsam schemenhaft. Verheiratet waren die beiden seit dem Jahr 2000, seit Sommer 2008 führten sie eine Fernbeziehung. Denn gegen Sinan M. wurde nach insgesamt vier Vorstrafen ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot in Österreich verhängt, er zog zurück in die Türkei.

Seine Frau blieb, besuchte ihn mit den Kindern aber regelmäßig und telefonierte, schildert er. "Ich habe gut verdient in der Türkei, aber meiner Frau ging es finanziell nicht gut in Wien."

Gemeinsam nach Wien geflogen

Im Dezember sei sie wieder auf Besuch gewesen, er habe ihr ein Haus überschrieben, dann seien sie gemeinsam nach Wien geflogen. Irgendwie sind seine Schilderungen nicht ganz stimmig, so gibt er sich selbst überrascht, dass er am Flughafen anstandslos einreisen konnte.

In Wien wurde er misstrauisch, sagt er. Denn er entdeckte, dass seine Frau 400 SMS mit einer ihm unbekannten Nummer ausgetauscht hat und auch stundenlange Gespräche aufgelistet waren. Wirklich konfrontiert hat er sie mit dem Untreueverdacht nie. Der geheimnisvolle Mann war ein Kreditvermittler, laut seiner Aussage beruhten die vielen SMS darauf, dass die Frau psychisch krank gewesen sei.

Abendessen bei Neffen

Vier Tage nach der Ankunft war das Paar zum Essen beim Neffen des Angeklagten eingeladen. Bereits am Weg dorthin habe sie ihm erzählt, dass sie mit den Kindern in den Gemeindebezirk Favoriten ziehen wolle, schildert Sinan M. Und auch am späteren Tatort drehte sich das Tischgespräch um den Umzug. Dessen Grund nur die Nähe zum neuen Geliebten sein könne, folgerte M.

Die Zeugen, inklusive der neunjährigen Tochter des Angeklagten, sagen übereinstimmend aus, dass er irgendwann aufgestanden und in die Küche gegangen sei.

Zwanzig Zentimeter langes Messer in der Hand

Als er zurückkehrte, hatte er ein zwanzig Zentimeter langes Messer in der Hand. Vier Stiche in den Bauch und einer in den Rücken, der das Herz traf, wurden bei Arzus Obduktion gezählt. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie verletzt habe", sagt er nun. Genaugenommen kann er sich an gar nichts erinnern. Auch nicht, dass er "Du wirst sterben!" gerufen hat.

Sicher weiß er hingegen, dass die Anschuldigungen der Schwester des Opfers, er habe seine Frau misshandelt und finanziell ausgenutzt, falsch sind.

Der Argumentation von M.s Verteidiger Wolfgang Haas, es habe sich um Totschlag aus Eifersucht gehandelt, schließen sich die Geschworenen nicht an. Ihr nicht rechtskräftiges Urteil: 20 Jahre Haft wegen Mordes. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 18.7.2012)