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Die Beschneidung ist im Judentum ein religiöses Gebot, im Islam hingegen "nur" eine weit verbreitete Sitte.

Foto: apa/Bea Kallos

Nach dem Kölner Urteil, das die Beschneidung von Kindern als Körperverletzung bewertet, wird in Deutschland heftig diskutiert, wie das Gesetz zukünftig bei religiös motivierten Beschneidungen anzuwenden sei. Diese Debatte soll nun auch auf Österreich übergreifen, wenn es nach einer Gruppe von fünf Beschneidungskritikern geht.

Widerstand gegen die Beschneidung von Buben und männlichen Säuglingen kommt etwa vom Mitbegründer der "Initiative gegen Kirchenprivilegien", Niko Alm. Er sieht religiös motivierte Beschneidungen als Körperverletzung. Mit Gleichgesinnten will er sich daher auch für eine Gesetzesänderung in Österreich einsetzen.

Bei einer Pressekonferenz am Dienstag erklärte Alm, dass Religionsfreiheit für ihn selbstverständlich, aber "auch ein Abwehrrecht" sei. Beschneidungen erlaubt das Gesetz in Österreich aufgrund der Freiheit der Religionsausübung. Diese Freiheit müsse aber ihre Grenzen dort finden, wo es um die Integrität des Körpers des Kindes gehe, sagt Alm.

Gesetzesänderung gefordert

Eine Beschneidung bedeute immer einen Eingriff in die körperliche Integrität, meint Rechtsanwältin Eva Plaz. Diesen Eingriff könne weder die Religionsfreiheit noch das Erziehungsrecht der Eltern rechtfertigen. Für Plaz ist die entscheidende Frage, wer eine Beschneidung bewilligen kann. Bis zum 14. Lebensjahr sind das in Österreich die Eltern; sie dürften aber laut Gesetz in nichts einwilligen, was das Kindeswohl beeinträchtigen könnte. Eine Beschneidung gilt gesetzlich aber nicht als eine solche Beeinträchtigung.

Auf eine von einigen Beschneidungskritikern geforderte Gesetzesänderung angesprochen, erklärt die Juristin, dass es möglich wäre, ein "Alter festzulegen, ab dem die Betroffenen selbst einer Beschneidung zustimmen können". Außerdem, so Plaz, sei "die öffentliche Debatte sehr wichtig". 

Befürworter: "Rechtslage eindeutig"

"Die Rechtslage in Österreich ist eindeutig geklärt", heißt es dazu von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien. Dort sieht man den sich formierenden Widerstand gelassen: Offensichtlich handle es sich  um "antireligiöse Fundamentalisten", die sich zusammengefunden hätten, um jene Diskussionen, die in Deutschland geführt werden, auch in Österreich anzuheizen.

Fuat Sanaç, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), zeigt sich gegenüber derStandard.at skeptisch, ob die Widerstandsbewegung gute Absichten hat. "Die Absicht ist hier sehr wichtig: Steckt da Antisemitismus oder Antiislamismus dahinter?" Sanaç fordert daher einen sachlichen und wissenschaftlichen Dialog ohne Wirbel. Alles andere sei "Unruhestiftung". Im Islam handelt es sich bei der Beschneidung – anders als im Judentum – um eine weit verbreitete Sitte, nicht aber um ein religiöses Gebot.

"Ich war der Markierte"

Einer der Beschneidungskritiker ist der Ex-Muslim Cahit Kaya. Er wurde als Bub in einem Vorarlberger Krankenhaus beschnitten - aus religiöser Tradition. "Ausgeliefert habe ich mich damals gefühlt. Meine Eltern konnten mir keine Antwort geben darauf, warum der Eingriff gemacht werden sollte." Böse ist Kaya seinen Eltern heute nicht, sie hätten nicht gewusst, was eine Beschneidung für ein Kind bedeute. "Es war aber belastend. Ich war beim Umziehen zum Sportunterricht immer der Markierte; der, der anders ist." Für Kaya ist der gesellschaftliche Druck unter Muslimen groß, ihre Kinder beschneiden zu lassen.

Dem entgegnet IGGiÖ-Präsident Sanaç, dass eine Beschneidung eine "freie Entscheidung" sei. Er räumt aber ein, dass "vielleicht unter einer Million einmal ein Fehler" passieren könne. Eltern schickten ihre Kinder ja auch zur Schule, ohne sie zu fragen, ob diese den Schulbesuch tatsächlich befürworten würden. Aber das Erziehungsrecht der Eltern sei nun einmal zu respektieren, so Sanac. (Sarah Dyduch, derStandard.at, 17.7.2012)