Ich wohne in einem Wiener Parkpickerl-Bezirk (Mariahilf), in dem ich ohne Kurzparkzonen wohl kaum Parkplatz finden könnte. Der Preis von derzeit rund 170 Euro im Jahr (oder weniger für zwei Jahre) verblasst im Vergleich zu den übrigen Autokosten.

Ich kann daher überhaupt nicht begreifen, wie irgendein Bewohner eines unter Parkplatzmangel leidenden Bezirks (und das sind heute schon fast alle) gegen die Ausdehnung der Kurzparkzone sein kann – schon allein aus persönlichen Gründen. Benachteiligt werden nur die Autofahrer, die nicht im Bezirk wohnen, und daher auch nicht abstimmen dürfen.

Dazu kommt, dass die hoch gerühmte Lebensqualität von Wien eine Folge des akzeptablen Verkehrs und der guten öffentlichen Verkehrsverbindungen ist. Man muss schon besonders uneinsichtig sein, um die Einschränkung des Pendlerunwesens als Schikane zu sehen.

Kritisch können höchstens die sein, die Kurzparkzonen für ein zu schwaches Mittel halten und mehr – also eine City-Maut oder gar Fahrverbote – fordern.

Dennoch steht die öffentliche Meinung offenbar skeptisch bis ablehnend der Ausdehnung von Kurzparkzonen gegenüber. Das hängt vielleicht mit dem jüngsten Reigen an Gebührenerhöhungen zusammen, ist aber in sich nicht schlüssig.

Das ist für die Wiener Stadtregierung eine große Herausforderung, der sie sich stellen muss. Wenn jedes rationale Argument für Parkpickerl spricht, dann muss es möglich sein, die Wähler davon zu überzeugen.

Deshalb wäre es besser, wenn Bürgermeister Michael Häupl und Grünen-Chefin Maria Vassilakou zuerst die Bürger befragen und erst dann die neuen Kurzpackzonen einführen würden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken wären wohl überwindbar. 

Nun geht es darum, die besseren Argumente zu bringen und gegen das Gebrüll von rechtspopulistischen Parteien (zu denen leider auch die Wiener ÖVP zählt), Autofahrerclubs und den Boulevardmedien anzukämpfen. Das muss einer professionellen Stadtregierung eigentlich gelingen. Die kommende Volksbefragung ist daher eine Art von Reifeprüfung für Rot-Grün.

Aber was ist, wenn sie scheitern, wovon viele Kommentatoren ausgehen? Dann wäre das ein Armutszeugnis für diese Stadt und für ganz Österreich. Die Qualität eines Gemeinwesens lässt sich auch daran messen, ob langfristig sinnvolle, aber kurzfristig schmerzhafte Maßnahmen politisch durchsetzbar sind. Dänemarks Energiepolitik gilt hier als Musterbeispiel, wie der US-Politologe Francis Fukuyama und zuletzt der Spiegel dargestellt hat.

Wenn die Bürger von einer weltweiten bewunderten grünen Musterstadt nicht bereit sind, den Trend zu immer mehr Autoverkehr zu stoppen, dann ist etwas faul in dieser Gesellschaft. Dann gehören wir eher ins verlotterte Südeuropa als in vorbildhafte Nordeuropa. Und wenn ein populärer Bürgermeister diese Botschaft nicht rüberbringen kann, dann hat auch er versagt. (Eric Frey, derStandard.at, 17.7.2012)