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Syrische Rebellen im Kampf mit Regierungstruppen in Damaskus.

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Der britische Außenminister William Hague besuchte ein Flüchtlingslager in Jordanien.

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Damaskus - Nach dem Ausbruch heftiger Kämpfe in Syriens Hauptstadt Damaskus haben die Aufständischen eine landesweite Offensive ausgerufen. Die syrischen Rebellen sprachen von einer "Schlacht zur Befreiung" von Damaskus. Diese Schlacht habe nun begonnen, sagte ein Sprecher der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) am Dienstag über den Internet-Telefondienst Skype der Nachrichtenagentur AFP in Beirut.

Den syrischen Regierungstruppen ist es bisher offenbar nicht gelungen, die Kontrolle über die umkämpften Teile der Hauptstadt Damaskus zurückzugewinnen. Die Rebellen erklärten, die Armee habe zwar mehrere Viertel der Stadt umstellt, diese jedoch nicht erobern können. Sie sprachen von den schwersten Kämpfen im Machtzentrum von Präsident Bashar al-Assad seit dem Beginn des Aufstandes vor 17 Monaten. Im Stadtbezirk Kabun sei dabei auch ein Hubschrauber der Armee abgeschossen worden.

Regierung bestätigt Eindringen der Rebellen

Die syrische Regierung, die bisher zu den Kämpfen in Damaskus geschwiegen hatte, bestätigte diese am Dienstag. Die Sicherheitskräfte hätten Kämpfer gestellt, die in die Hauptstadt eingedrungen seien, sagte Informationsminister Omran Soabi. Einige von ihnen seien geflohen, andere hätten sich ergeben.

Aufständische berichteten, im Stadtviertel Tadamon seien Raketen und Artilleriegeschosse eingeschlagen. Die Armee setze auch Kampfhubschrauber ein. In Midan seien Scharfschützen auf den Dächern in Stellung gegangen.

"Schlacht in die Hauptstadt verlegt"

"Wir haben die Schlacht von der Provinz in die Hauptstadt verlegt", sagte der Sprecher der oppositionellen Freien Syrischen Armee Saadeddin weiter. "Wir haben einen klaren Plan, wie wir Damaskus unter unsere Kontrolle bringen." Die FSA-Kämpfer verfügten über leichte Waffen, aber die seien für diesen Plan ausreichend. "Machen Sie sich auf Überraschungen gefasst", so der Offizier.

Am Dienstag setzten die syrischen Regierungstruppen nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Panzer und erstmals auch Kampfhubschrauber in Stadtvierteln von Damaskus ein, um Aufständische zu bekämpfen.

Die Kommandozentrale der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) in Homs rief am Montagabend in einer Erklärung "in Reaktion auf Massaker und barbarische Verbrechen" der Regierung zu Angriffen auf alle Sitze der Sicherheitskräfte auf. Ihre Kämpfer sollten alle Kontrollposten der Armee, der Sicherheitskräfte und der Shabiha-Milizen einkreisen und eliminieren. 

"Schlacht zur Befreiung"

Die "Der Damaszener Vulkan und die Erdbeben Syriens" getaufte Operation sei der "erste strategische Schritt" zum zivilen Ungehorsam in ganz Syrien, erklärte die FSA. Am Montag war es den Aufständischen nach eigenen Angaben gelungen, die Armee aus zwei Vierteln der Hauptstadt zu vertreiben. Ein Aktivist, der seinen Namen als Abu Musab angab, bezeichnete die Entwicklung als "Wendepunkt" in dem seit März 2011 andauernden Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad.

Kämpfe in Damaskus weiten sich aus

Nach Angaben von Regierungsgegnern weiten sich die Kämpfe in Damaskus am Dienstag aus. "Syrische Truppen versuchen mit Hilfe von Panzern, das Viertel Tadamon zu stürmen", sagte der Aktivist Haytham al-Abdallah aus Damaskus am Dienstag. Am Stadtrand setze das Regime auch Kampfhubschrauber ein. Eine Oppositionswebseite berichtet gegen Mittag ebenfalls vom Einsatz von Kampfhubschraubern über Damaskus.

Die bewaffnete Opposition habe ihrerseits eine breit angelegte Militäroperation gegen Regierungseinheiten in der Hauptstadt begonnen, sagte Abu Omar, ein Kommandant der Freien Syrischen Armee, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Berichte von unabhängigen Beobachtern über die Lage in Damaskus lagen zunächst nicht vor.

Oppositionelle erklärten am Dienstag zudem, im Stadtteil Midan seien Sicherheitskräfte mit Panzern in Stellung gegangen. Bewohner berichteten von Scharfschützen auf Dächern. "Überall sind Soldaten. Ich kann Rettungswagen hören", sagte ein Anrainer. Man fühle sich wie im Krieg.

Die Regierung hält sich mit Äußerungen über die Kämpfe in Damaskus bedeckt. Das amtliche Fernsehen berichtete am Montag, dass Sicherheitskräfte auf der Jagd nach "Terrorgruppen" seien, die sich in einigen Vierteln versteckt hielten. Einer der Oppositionellen berichtete in Tadamon, die Rebellen verteilten sich über die Stadt, um eine Niederlage wie in der Stadt Homs zu umgehen. Dort konzentrierten sich die Kämpfer im Viertel Baba Amr, das von Truppen des Staatschefs Bashar al-Assad schließlich gestürmt wurde.

Grenzstadt Talbisse von Rebellen erobert

Die Aufständischen brachten nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London unterdessen die Stadt Talbisse an der Grenze zum Libanon unter ihre Kontrolle. Sie kontrollierten demnach mittlerweile alle Posten der Sicherheitskräfte in der Stadt, die zuvor lange unter Beschuss gestanden war.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden am Montag landesweit fast 150 Menschen getötet, darunter mehr als 80 Zivilisten. Mit 33 toten Zivilisten gab es demnach die meisten Opfer in der Protesthochburg Hama.

Warnung vor chemischen Waffen

Unterdessen warnte Syriens früherer Botschafter in Bagdad, Nawaf Fares, vor dem Einsatz chemischer Waffen durch die Regierung. Er sei überzeugt, dass Assad bereit sei, "das gesamte syrische Volk auszulöschen", um an der Macht zu bleiben, sagte Fares der BBC am Montag. Sollte er weiter in die Enge gedrängt werden, könnte er auch Chemiewaffen einsetzen. Es gebe unbestätigte Berichte, dass in Homs bereits Chemiewaffen eingesetzt worden seien.

Das Ende des Konflikts sei nun "unvermeidbar", sagte Fares. "Es ist absolut sicher, dass diese Regierung in kurzer Zeit stürzen wird." Fares, der als Hardliner galt und jahrzehntelang zahlreiche hohe Posten in den syrischen Sicherheitskräften, der Regierungspartei und der Staatsverwaltung innehatte, hatte sich am Mittwoch von Bagdad nach Katar abgesetzt. Gerüchten zufolge spekuliert er auf einen Posten in der Regierung nach Assad.

 Die syrische Muslimbruderschaft hofft, dass die Straßenkämpfe in Damaskus den Niedergang des Regimes von Assad beschleunigen werden. In einer Erklärung, die von der Oppositionsgruppe am Dienstag nach einem Treffen in Istanbul veröffentlicht wurde, hieß es: "Die Schlacht unseres Volkes, die im Moment im Herzen der syrischen Hauptstadt tobt, wird bald die Festung des Tyrannen erreichen, der die Schuld trägt an allem, was unserem Volk angetan wird." Die sunnitische Muslimbruderschaft forderte ausdrücklich auch die Christen, Alawiten und Angehörige anderer Minderheiten auf, sich den Anti-Assad-Protesten anzuschließen.

Syrische Militärs geflüchtet

Ein syrischer Brigadegeneral und weitere Offiziere sind nach türkischen Angaben in der Nacht auf Dienstag in das Nachbarland geflüchtet. Sie seien unter einer Gruppe von 1.280 Syrern gewesen, die über die Grenze in die Provinz Hatay gekommen seien, verlautete aus türkischen Behördenkreisen. Damit seien nun 18 Generäle, darunter einer im Ruhestand, in die Türkei geflohen. Insgesamt suchten demnach bisher 42.680 Menschen aus Syrien Schutz im Nachbarland.

Immer mehr Syrer suchen in Nachbarländern Schutz vor der Gewalt in ihrer Heimat. Allein seit April habe sich die Zahl der im Ausland offiziell registrierten syrischen Flüchtlinge auf 112.000 nahezu verdreifacht, teilten die Vereinten Nationen am Dienstag in Genf mit. Drei Viertel von ihnen seien Frauen und Kinder, berichtete Adrian Edwards vom Flüchtlings-Hochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR).

Das UNHCR vermutet, dass tatsächlich bereits weit mehr Syrer ins Ausland geflohen sind. Viele der Flüchtlinge in der Türkei, in Jordanien, im Libanon und im Irak würden sich erst dann registrieren und die Unterstützung humanitärer Organisationen suchen, wenn ihre eigenen Vorräte aufgebraucht seien, erläuterte Edwards.

Diplomaten für friedliche Machtübergabe

Eine Gruppe syrischer Diplomaten hat sich nach Angaben der Opposition für einen friedlichen Machtwechsel in Damaskus ausgesprochen. Eine entsprechende Erklärung im Namen einer Gruppe, die sich "Syrische Diplomaten für den zivilen demokratischen Staat" nennt, wurde am Dienstag auf der Website "All4Syria" veröffentlicht. Darin heißt es: "Wir lehnen jede Form von ausländischer Militärintervention in Syrien ab, egal unter welchem Vorwand."

Die Gruppe betont ihre Unterstützung für die Revolution und fordert das Regime auf, sein Scheitern einzugestehen. Die Mitglieder der Gruppe, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollten, forderten ihre Kollegen im Außenministerium auf, sich ihnen anzuschließen.

Iran hat Gespräche mit Regimegegnern geführt

Der Iran hat nach eigenen Angaben Gespräche mit den Regimegegnern in Syrien geführt. "Der Iran hatte Kontakte mit der syrischen Opposition", sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am Dienstag in Teheran, ohne Details zu nennen. Zugleich bekräftigte er die Bereitschaft des Irans, in dem blutigen Konflikt als Vermittler und Gastgeber für Friedensgespräche zu fungieren. Die Anliegen der syrischen Opposition sollten in angemessener Atmosphäre und ohne die Einmischung fremder Länder angeschnitten werden können.

Der Iran hatte sich bereits am Sonntag als Vermittler ins Gespräch gebracht. Das Land unterstützt den Friedensplan von Syrien-Sondervermittler Kofi Annan aber nur unter der Bedingung, dass Präsident Bashar al-Assad an der Macht bleibt. (APA, 17.7.2012)