Tokio - Ein so große Demonstration hat Japan noch nicht gesehen. Zigtausende waren am Montag dem Ruf des Literaturnobelpreisträgers Kenzaburo Oe und anderer prominenter Künstler gefolgt, um in Japans Hauptstadt Tokio gegen die Atomkraft zu demonstrieren. "Stoppt die Atomkraft", "Gebt uns Fukushima zurück", skandierten die Demonstranten.

Die kolportierten Teilnehmerzahlen klafften zwar weit auseinander: 170. 000 Teilnehmer meldeten die Veranstalter, 75.000 zählte die Polizei. Doch selbst die konservative Schätzung der Polizei macht klar: Japans Anti-Atomkraftbewegung schwillt von Woche zu Woche an. Die einst so zahmen Japaner entdecken 40 Jahre nach den blutigen Ausschreitung der 1960er und 70er-Jahre die Macht der Straße wieder.

Zur ersten wöchentlichen Freitags-Demo am 29. März kamen nur 300 Aktivisten. Als Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda dann im Juni den Befehl gab, die ersten zwei Meiler seit der Atomkatastrophe neu zu starten, lärmten direkt vor seiner Haustür nach Polizeiangaben 17.000 Menschen. Eine Bannmeile gibt es nicht. Zur 16. Demo am vorigen Freitag waren es nach Medienangaben 21.000 Demonstranten.

Ministerpräsident Noda lässt die Kritik allerdings abperlen. Denn für ihn ist die Wiedereinschaltung einiger - wie vieler ist noch unklar - Reaktoren im nationalen Interesse. Er will damit Stromengpässe in der zweitgrößten Industrieregion Japans vermeiden, die ohne Atomstrom drohen. (mako, DER STANDARD, 17.7.2012)