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Die historisch gewachsene Herbstlohnrunde mit Stahlkochern, Maschinenbauern und Gießern in einem Boot rollt Richtung Auflösung. Die Branchenarbeitgeber wollen ihr Glück einzeln versuchen.

Foto: apa/Roland Weihrauch

Wien - Bis zur Herbstlohnrunde der Metaller sind es noch zwei Monate, trotzdem fliegen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern schon die Fetzen. Der Grund: Die im April vom Fachverband Maschinen Metallwaren (FMMI) verkündete Abspaltung von der Tarifgemeinschaft der Metaller und Industrieangestellten geht weiter, als bislang bekannt.

Laut Standard-Recherchen wollen neben den Gießereien auch die vier anderen Fachverbände in der Wirtschaftskammer nicht länger im Verbund mit Metall- und Privatangestelltengewerkschaftern über den neuen Kollektivvertrag verhandeln, sondern nach Branchen getrennt. Bis Maschinen/Metallwaren im April ausgeschert sind, wurden die Kollektivvertragsverhandlungen für Bergwerke / Eisen- und Stahlerzeuger, Gießerei-, Fahrzeug- und Nicht-Eisen-Metallindustrie sowie Gas- und Wärmeerzeuger in einem Aufwaschen geführt - und nach einem strengen Ritual.

Getrennte Verhandlungen seien wirtschaftlich notwendig und auch sinnvoll, sagen mit den jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen vertraute Kammerfunktionäre, die von einer "sehr großen Entschlossenheit zur Auflösung" der traditionellen Verhandlungsgemeinschaft berichten. Das habe sich bei Elektro- und Elektronikindustrie, die vor fast zehn Jahren ausgezogen ist, bewährt. Auch die völlig unterschiedliche Dynamik der Branchen und ihre Lohntangente spreche für eine Entkoppelung: "Je größter die Gruppe, desto näher sind wir am Durchschnitt", der mit den Einzelbranchen dann nicht konform gehe.

Sechs statt eins

Als Indiz, dass der Zug in Richtung Auflösung unterwegs ist, gilt die Öffentlichkeitsarbeit: Sprach bisher nur der Chefverhandler für alle sechs Industrieverbände, so veröffentlichen mittlerweile auch die einzelnen Sparten ihre Zahlen. Am Donnerstag präsentieren Bergbau- und Stahlindustrie ihre Konjunkturerhebung.

Bei den Gewerkschaftern registriert man dies mit Argwohn. Man sei noch in Gesprächen und gehe nicht von der völligen Zerfledderung der Tarifgemeinschaft aus, lässt Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer ausrichten. Metaller und Privatangestelltengewerkschafter haben vitales Interesse, Konzerne mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad wie Voestalpine oder das General-Motors-Werk in Wien-Aspern mit kleineren Metallverarbeitern oder Gießereien im Verbund zu halten. Diese geballte Verhandlungsmacht bekam durch das Ausscheren des FMMI mit rund 120.000 Beschäftigten einen tiefen Riss. Mit der nun angestrebten Zersplitterung entstünden winzige Tarifverbände, bei denen die Fahrzeugindustrie mit 26.000 und Bergbau/Stahl mit 16.000 Beschäftigten zu den Großen zählte. Gießereien, Nicht-Eisen-Metall (Alu, Kupfer) und Gas/Wärme wären mit je 6000 bis 7000 Zwerge. "Auch Zwutschkerl können sehr effektiv sein", sagt ein Arbeitgebervertreter, der nicht genannt werden will.

"Sonst gibt es Krieg"

Widerstandslos hinnehmen wollen die Gewerkschafter den "Affront" der Arbeitgeberseite nicht. "Wenn die das durchziehen, gibt es Krieg, dann fliegen die Fetzen", fasst ein Funktionär die Stimmung zusammen. Nägel mit Köpfen will man Anfang August machen. Wie aus hohen ÖGB-Kreisen verlautet, ist am 8. August eine Krisensitzung der Gewerkschaftsspitze angesagt, da wollen die Präsidien von Metallern und GPA einen Schlachtplan erarbeiten. Auch der ÖGB - Präsident Erich Foglar war früher Metallgewerkschaftschef - sei eingeschaltet, um die Herbstlohnrunde doch noch zu retten. Der Spätsommer könnte in der Folge also richtig heiß werden. Denn kehren die Arbeitgeber nicht zurück in die große Herbstlohnrunde, sollen österreichweite Protestaktionen organisiert werden.

Metallgewerkschaftschef Wimmer gibt sich bedeckt, setzt weiter auf Verhandlungen: "Wir reden auf allen Ebenen, um den gemeinsamen Kollektivvertrag zu erhalten." Von Foglar gibt es keine Stellungnahme. KV-Verhandlungen seien Branchensache, heißt es auch bei Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, der sich im Vorjahr beim Warnstreik eingemischt und bei Gesprächen mit Foglar im Hotel Intercontinental eine Einigung erzwungen hatte.

Faktum ist: Es gibt noch keine Chefverhandler. Beim FMMI soll Christoph Hinteregger von Doppelmayr zwar im Verhandlungsteam sein, aber nicht dessen Chef. Die Stimme zur Öffentlichkeit ist FMMI-Obmann Christian Knill. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 17.7.2012)