Farbe oder Blut, bald ununterscheidbar: Miki Mizuno als Femme fatale in Sion Sonos Erotikdrama "Guilty of Romance".

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Wien - Mit hohem Output, Vielseitigkeit und dem festen Willen, zivile Verhaltensregeln drastisch zu überschreiten, hat sich der japanische Dichter und Filmemacher Sion Sono eine größere Fangemeinde erarbeitet. Suicide Club hieß der popdurchsetzte Horrorfilm, mit dem er 2002 auf einschlägigen Festivals reüssierte; es ging um Massenselbstmorde von Studenten, die mit viel Lust an Blutfontänen umgesetzt wurden. Mit dem ekstatischen Love Exposure, Teil eins seiner Trilogie des "Hasses", wurde er schließlich auf die Berlinale eingeladen; darauf folgte Cold Fish, ein alles andere als zurückhaltender Serienmörderfilm, der seine Wucht durch die eiserne Konsequenz entfaltet, bis zum Ende zu gehen.

Guilty of Romance ist der letzte Teil dieser Trilogie, in der es wieder um Transgression geht, diesmal auf dem Feld der Sexualität. Izumi Kiguchi (Megumi Kagurazaka) ist mit einem aufgrund anstößiger Bücher populären Schriftsteller verheiratet, der sich im eigenen Heim wie die Sittsamkeit in Person gebärdet. Der liebenden Ehefrau ist das zu wenig: Sie entflieht dem goldenen Käfig, beginnt in einem Supermarkt zu arbeiten, bald danach wird sie von einer halbseidenen Agentur entdeckt und räkelt sich nackt vor Kameras.

Die entscheidende Figur tritt jedoch erst mit Kazuko (Miki Mizuno) in ihr Leben, die den Übertritt auf die Seite ordinären Lustgewinns bereits vollzogen hat. Untertags eine Literaturprofessorin, verwandelt sie sich nachts in eine Prostituierte, die Freier mit ihrer Direktheit einschüchtert.

Sono beschäftigt vor allem das ambivalente Verhältnis der Frauen zueinander: Kazuko nimmt Izumi wie eine Schülerin der Libertinage bei sich auf, um sie im nächsten Moment abzuweisen, zu beschimpfen. Die Novizin leckt dennoch Blut, ringt allerdings weiter mit ihren ethischen Prinzipien - ein beliebtes Thema Sion Sonos, der einer von sozialen Rollen abhängigen Moral misstraut.

Eingepasst ist dieses Szenario einer wohlgemerkt oft hysterisch-überspannten Form der weiblichen Selbstermächtigung in einen Neo-noir-Mordplot. Die Überreste einer Frau ohne Kopf und Gliedmaßen werden zu Beginn von Guilty of Romance gefunden. Doch der Film interessiert sich weniger für den Fall als für die ermittelnde Polizistin, die selbst ein Doppelleben führt. Keine Figur, keine Agenda gewährt Sicherheit, will Sono damit wohl sagen. Jede Frau wacht über ein Geheimnis.

Beunruhigendere Erkenntnisse kommen keine mehr hinterher. Die grellen Töne, die Pink Eiga, das japanische Softcore-Genre, bis Clockwork Orange zitieren, genügen sich irgendwann selbst, das Drama wird indes immer nebensächlicher. Wie einer der Zuhälter im Film wirft Sion Sono in Ekstase mit Farbbeuteln: Action-Painting für Leute mit herabgesetzter Hemmschwelle. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 17.7.2012)