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Helfen die Vermögenden dem Gemeinwesen oder zerrt dieses noch ein wenig mehr an den steuergeplagten Besserverdienern?

Foto: Reuters/rinaldi jessica

Eine Vermögensabgabe zur Budgetsanierung in Zeiten der Staatsschuldenkrise wird seit Jahren diskutiert. Nun wurde mit der Zwangsanleihe die Reichensteuer light aufs Tapet gebracht. Solvente Menschen sollen bis zu zehn Prozent ihres Vermögens dem Staat gegen niedrige Zinsen leihen müssen. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hält nichts davon. "Ich will von den Reichen die Steuern, nicht sie aus Österreich vertreiben", sagte sie zum "Neuen Volksblatt".

Für Österreich ist diese Aussage stimmig. Schließlich refinanziert sich die Republik mit einem Zinssatz von knapp über zwei Prozent so günstig wie nie. Krisenländer wie Italien und Spanien müssen da schon um die sieben Prozent bieten und tun sich beim Schuldenabbau allein dadurch viel schwerer. Rein mathematisch würde es vor allem in diesen Ländern Sinn machen, den Vermögenden einen Solidaritätsbeitrag abzuverlangen.

Milliarden in Österreich

Doch wer wäre davon betroffen? Geht es nach dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), fallen darunter alle Vermögen über 250.000 Euro (bei Ehepaaren 500.000), die nicht in Unternehmensbeteiligungen stecken. Ganze zehn Prozent sollen dann in eine Anleihe umgewandelt werden. Dem deutschen Fiskus würde das laut DIW 230 Milliarden Euro bringen.

Für Österreich gibt es dazu noch keine Berechnungen. Es dürfte aber ein zweistelliger Milliardenbetrag sein. Denn allein das Geldvermögen hat im Vorjahr hierzulande 471 Milliarden Euro betragen. Abzüglich der privaten Schulden, Großteils Wohnbaukredite, bleiben noch 308 Milliarden Euro übrig. Die Staatsschulden summierten sich im Vergleich auf 217 Milliarden Euro.

Selten funktioniert es

Der aktuelle Vorstoß in Richtung Zwangsanleihen hat reale Vorbilder. Historisch waren sie vor allem mit Kriegen verbunden. So zwangsfinanzierte die Republik Venedig ihre militärischen Konflikte ab dem 13. Jahrhundert in dieser Form. Bis zu zwei Prozent des mobilen Vermögens musste man dafür abliefern. Und als sich Österreich-Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg auflöste, griffen Ungarn und die Tschechoslowakei in der Hoffnung, so eine neue Währung möglichst gut vorzubereiten und inflationären Tendenzen vorzubeugen, zu dieser Maßnahme. Beide Länder stempelten die im Umlauf befindlichen k. u. k. Banknoten ab und behielten die Hälfte davon als Anleihe ein.

Was in Budapest gar nicht funktionierte und in den Folgejahren der Inflation anheimfiel, stellte sich in Prag als Glücksfall heraus. Der tschechoslowakische Finanzminister Alois Rašín peitschte nach der geglückten Währungstrennung im März 1919 auch eine Vermögens- und Vermögenszuwachsabgabe durch, die sich vor allem auf verbreitete Kriegsgewinne konzentrierte, schreibt der Historiker Herbert Matis. Zur Popularität von Rašín trug die vergleichsweise stabile neue Währung nicht bei, Anfang 1923 verübte ein Anarchist ein Attentat auf den rigide sparenden Politiker, an dessen Folgen er verstarb.

Letztlich griffen auch Deutschland und Griechenland 1922 zur Zwangsanleihe. Die Experimente gingen schief. Besonders skurril gab man sich dabei in Athen. Finanzminister Petros Protopapadakis ordnete an, die Banknoten in der Mitte durchzuschneiden. Der rechte Teil des Scheins blieb Zahlungsmittel, sein Wert halbierte sich aber um die Hälfte. Der linke Teil wurde als Zwangsanleihe einbehalten. Und in Deutschland wurden jene Zwangsanleihen, die für eine Rückzahlung der Reparationsforderungen der Alliierten dienten, zu einem Totalausfall für die besser situierten Bürger. Die Hyperinflation sorgte 1923 dafür, dass die Anleihen kaum noch etwas wert waren. 

Millionärssteuer wieder diskutiert 

Österreich kennt historisch solche Formen von Zwangsanleihen nicht. Dafür erwärmen will sich auch heute kaum jemand. Nicht nur Finanzministerin Fekter hält nichts davon, auch ihr Staatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) spricht sich dagegen aus. Während FPÖ und BZÖ Zwangsmaßnahmen aber kategorisch ausschließen, gibt es in der Sozialdemokratie auch vorsichtige Annäherungen. So hält sie Klubobmann Josef Cap für einen "plausiblen Vorschlag", wie er gegenüber der "Presse" bekundete. Er spreche damit zwar in erster Linie Länder mit großen finanziellen Problemen - wie Spanien und Italien - an, schließe aber Zwangsanleihen in Österreich weder ein noch aus.

Die Debatte um Zwangsanleihen gibt auch der Vermögensabgabe neuen Auftrieb. Fekter dürfte davon nichts wissen wollen, sie hat für "populistische Ansagen unter dem Titel 'Was können wir den Reichen alles antun'" kein Verständnis, heißt es im "Neuen Volksblatt". Wenn man die Vermögenden vertreibe, sei doch gar nichts mehr zu holen. Konträr sieht das der Landesgeschäftsführer der SPÖ Oberösterreich, Christian Horner: "Ihnen (den Vermögenden, Anm.) geht es ja kaum irgendwo so gut wie hier." Sie an den Folgen der Krise - beispielsweise durch Bankenrettungen bedingte Staatsverschuldung - zu beteiligen, sei doch nur recht. Eine Millionärssteuer trage ihren Teil zu einem (verteilungs-)gerechteren Steuersystem bei. Es ist ihm daher "unbegreiflich, warum sich die Finanzministerin da so querlegt und sich so massiv vor die Millionäre stellt", so Horner in einer Aussendung.

Pro und Kontra

Die Debatte um Reichensteuer und Zwangsanleihe wird weitergehen. Vor allem weil es nun auch auf Ökonomenseite Argumente für eine krisenbedingte Beteiligung der Vermögenden gibt. Der Linzer Universitätsprofessor Friedrich Schneider hält zeitlich befristete Zwangsanleihen für plausibel. Europaweit eingeführt und eine Legislaturperiode lang seien sie ein probates Mittel, um die Zeit bis zum Wirken struktureller Maßnahmen (wie dem Fiskalpakt, Anm.) zu überbrücken, so Schneider zu den "Oberösterreichischen Nachrichten". Der solidarische Beitrag sei insofern angezeigt, als es im Grunde die Gutsituierten gewesen seien, die in den letzten Jahren Profit aus der Wirtschaftslage zogen.

Differenziert sieht das das Institut der deutschen Wirtschaft Köln. In Deutschland mache die Zwangsanleihe keinen Sinn, da "private Vermögen dazu verwendet werden, die Wirtschaft am Laufen zu halten". Und ganz dissonante Töne kommen vom Gründer des Politik-Magazins "Cicero", Wolfgang Weimer. Er spricht von "kaltschnäuziger Enteignung" und "Sozialismus". (Hermann Sussitz, derStandard.at, 16.7.2012)