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Tuberkulose auf einem Lungenröntgen. Die kleinen weißen Flecken sind Zeichen der Krankheit.

Foto: AP/SCHALK VAN ZUYDAM

Er ist der heimliche Hauptdarsteller in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg": ein Keim namens Mycobacterium tuberculosis, der Erreger der gefürchteten Tuberkulose, unter der die Menschheit vermutlich seit ihrer Entstehung leidet. In Europa hat die Krankheitshäufigkeit im 20. Jahrhundert stark abgenommen. Für Österreich wurden 2010 478 Fälle bestätigt. Auf anderen Kontinenten dagegen, vor allem in Afrika und in Teilen Asiens, ist die Seuche nach wie vor weitverbreitet.

Ohne ärztliche Intervention verläuft Tuberkulose (TB) in vielen Fällen früher oder später tödlich. Doch es gibt gute Behandlungsmethoden. Mit Kombinationen aus vier verschiedenen Antibiotika lassen sich die Keime normalerweise innerhalb von sechs Monaten ausrotten. Eine gefährliche Ausnahme stellen resistente Stämme dar. Vereinzelt können auch andere Bakterienspezies der Gattung Mycobacterium wie M. bovis die Krankheit auslösen.

Die Ansteckung mit den Erregern findet unmittelbar von Mensch zu Mensch statt, fast immer über Tröpfcheninfektion durch die Atemwege. Die Übertragung passiert viel häufiger als allgemein vermutet. Laut aktuellen Schätzungen ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit M. tuberculosis infiziert. "Dies macht deutlich, dass der Keim allgegenwärtig ist, jeder kann sich anstecken", erklärt der Epidemiologe Christian Lienhardt vom Departement "Stop TB" der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Weltweites Problem

Der globale Kampf gegen Tuberkulose macht nach einigen Rückschlägen in den 90er-Jahren wieder langsame Fortschritte. "Laut unseren Schätzungen nimmt die Häufigkeit um ein bis 1,4 Prozent pro Jahr ab", sagt Lienhardt, "das ist wenig, aber dennoch ermutigend." Vor allem mit Blick auf die wachsenden Bevölkerungszahlen. Große Probleme bereiten den Seuchenbekämpfern die multiresistenten Erreger sowie die hohe Befallsrate bei HIV-Infizierten.

Tuberkulose-Erreger haben spezielle Eigenschaften, welche der Krankheit einen tückischen Verlauf geben können. Die Bakterien sind unter anderem in der Lage, die Fresszellen des Immunsystems, die sogenannten Makrophagen, auszutricksen. Letztere greifen die Keime bei einer Infektion sofort an und verschlucken sie, was Biologen als Phagozytose bezeichnen. Den Makrophagen gelingt es allerdings nicht, die Eindringlinge zu verdauen. Diese verbleiben stattdessen lebendig im Zellinneren. Das Immunsystem wiederum reagiert darauf mit einer Einkapselung des Infektionsherds. Die nunmehr eingekesselten Bakterien reduzieren ihren Stoffwechsel auf ein Minimum und gehen in eine Art Schlafzustand über. Eine klassische Pattsituation.

Dauerhusten, Abgeschlagenheit und Fieber

Bei den meisten Menschen bleibt es dabei, die Krankheit bricht nicht aus oder verursacht nur kurz Beschwerden. Doch die Erreger können auch anders. "Das Problem ist, dass sie sich mitunter selbst reaktivieren", sagt Lienhardt. Auslöser kann Mangelernährung, Immunschwäche oder auch einfach das Alter sein. Auch Raucher sind stärker gefährdet. Alles, was die Gesundheit eines Menschen intensiv beeinträchtigt, begünstigt den Ausbruch. In solchen Fällen entsteht eine echte Tuberkulose mit Symptomen wie Dauerhusten, Abgeschlagenheit und - meist leichtem - Fieber.

Normalerweise sind die Lungen von den Bakterien befallen. Dort bilden sich immer größere Entzündungen, die Erreger mischen sich mit dem Schleim der Atemwege. Der hustende Patient wird ansteckend, man spricht von offener Tuberkulose. In manchen Fällen vermehren sich die Keime in anderen Organen wie Lymphknoten, Leber, Knochen oder dem Gehirn und richten dort schwere Schäden an.

Strategien der WHO

Die WHO verfolgt bei der Bekämpfung von Tuberkulose eine Fünf-Punkte-Strategie, in deren Rahmen streng überwachte Antibiotikatherapien, DOTS im Fachjargon, die Hauptrolle spielen. Sie sollen vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern helfen, die Krankenzahlen drastisch zu senken. Denn nicht vollständig ausgeheilte Patienten können die Keime leicht auf Menschen in ihrer Umgebung übertragen.

Gesunde, wohlgenährte Touristen laufen indes kaum Gefahr, sich anzustecken, betont Lienhardt. "Wenn sie infiziert werden, haben sie genug Ressourcen, um die Bakterien in Schach zu halten." Das gilt auch für das Ansteckungsrisiko in Flugzeugen, von dem immer wieder einmal die Rede ist, meint der Experte. Eine medikamentöse Prophylaxe werde deshalb auch bei Fernreisen in Risikogebiete nicht empfohlen. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 16.7.2012)