500 neue Studienplätze sollen im nächsten Jahr an den Fachhochschulen finanziert werden. Abgesehen davon, dass in diesem Tempo die angestrebte Erhöhung des Anteils der an FHs Studierenden auf 40 Prozent Jahrzehnte dauern wird, lässt der Call des Wissenschaftsministeriums Schlimmes befürchten: Das erste Kriterium für die Zuerkennung neuer Studienplätze ist der "Ausbau der technisch/ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge".

Ähnlich war es heuer. Die Anträge betreffend sozialwissenschaftliche Studienplätze wurden mit Hinweis auf den Fachhochschulplan abgeschmettert.

Zur Erklärung der Situation: Das Studium Soziale Arbeit ist an den Fachhochschulen - und nur dort - situiert. Es ist das einzige passgenaue Studium für eine Branche, die seit Jahrzehnten international kontinuierlich wächst - und ein Ende des Wachstums ist trotz Krise nicht absehbar.

Die Aufgaben und die Arbeitsplätze haben sich vervielfacht. Immer mehr Leute wollen Soziale Arbeit studieren, viele davon haben - auch ohne höhere Ausbildung - längst einen Arbeitsplatz in dieser Branche.

Die AbsolventInnen arbeiten in der Jugendwohlfahrt, der offenen Jugendarbeit, in der Flüchtlingsbetreuung, in der Betreuung von Suchtkranken und Arbeitslosen, mit Opfern von Menschenhandel, in der Erziehungshilfe, mit SeniorInnen, psychisch Kranken und ganz allgemein mit Menschen in Lebenskrisen und mit jenen, die kaum Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen haben.

Viele, die schon in diesen Feldern arbeiten, wollen eine adäquate Ausbildung machen und sind bereit, dafür viel Engagement und die Mühsal eines berufsbegleitenden Studiums auf sich zu nehmen. Sie bewerben sich um einen Studienplatz und erhalten Absagen.

Das wäre zwar bedauerlich, aber zumindest vertretbar, wenn nicht gleichzeitig die Anstellungsträger einen Mangel an qualifiziertem Personal hätten. Dieser Mangel ist künstlich erzeugt. Die Zahl der AbsolventInnen entspricht weder dem Bedarf noch dem Interesse, sie ist die Folge der Ignoranz seitens der Bildungspolitik.

In der Schweiz hat man den strategischen Bedarf erkannt und die Studiengänge ausgebaut. In Österreich völlig unvorstellbar: Man fördert dort auch die einschlägige Forschung an den Fachhochschulen massiv. Die Schweiz weist pro Jahr mehr als doppelt so viele AbsolventInnen von Bachelor-Studiengängen Soziale Arbeit auf wie Österreich, und das bei fast gleicher Bevölkerungszahl. Wer wollte behaupten, dass Österreich nur halb so viele soziale Probleme hätte wie die Schweiz?

Was verursacht diese Ignoranz? Ist es doch noch das dumme alte Vorurteil, dass inklusionsfördernde Arbeit mit Menschen bloß guten Willen und ein goldenes Herz benötige? Ist es der vermeintlich "weibliche" Charakter des Berufsfelds?

Soziale Arbeit ist nicht erst heute, heute aber umso mehr ein ziemlich herausforderungsreicher Job. Er erfordert eine ausgezeichnete Ausbildung auf Hochschulniveau - juristische, methodische, psychologische, psychiatrische, soziologische Grundkenntnisse - und die Fähigkeit, mit belastenden Situationen, allseitigem Widerstand und Konflikten konstruktiv umzugehen, ohne dabei persönlich zu zerbrechen.

Dazu braucht es Wissen und Training. Jene, die diese Arbeit tun, sollten auch die Möglichkeit haben, das seriös zu studieren. Heute sind viele von ihnen angewiesen auf kostenpflichtige dubiose Ausbildungen privater Anbieter, weil die Gesellschaft zwar die Arbeitsplätze, nicht aber die Ausbildung bereitstellt. Eine gefährliche Absurdität.

Gefordert sind der Sozialminister, die Länder, die Organisationen der Sozialwirtschaft. Sie müssen die Finanzierung einer bedarfsgerechten Anzahl von Studienplätzen fordern. Und gefordert ist das Wissenschaftsministerium, das endlich zur Kenntnis nehmen sollte, dass der Zusammenhalt und die Zukunft der demokratischen Gesellschaft nicht nur von einer ausreichenden Zahl an ausgebildeten TechnikerInnen abhängt. (Peter Pantuček, Gastkommentar, derStandard.at, 16.7.2012)